Serbien

Hier gehts zurück nach Ungarn.

24. Tag, 5. Juli
Bezdan – Campingplatz Budzak (vor Apatin), 41 km

Nach der Nacht im wirklich feinen Zimmer in Bezdan, im Anna Caffe & Rooms, erwartete uns es ein fulminantes Frühstück. Also, wer in die Nähe von Bezdan kommt, diese Pension ist absolut empfehlenswert!
Heute schien wieder die Sonne, die Route war gut beschildert, meist relativ gut aspaltiert und die Straßen auf denen sie führte, wenig bis mäßig befahren.

Wenn Leonie schläft, radeln wir viele Kilometer sehr zügig dahin. Wenn sie munter ist, gibt’s viele Gründe zum Stehen bleiben: umsitzen vom Anhänger in den Sitz oder umgekehrt, Pippi machen, eine kleine Jause, ein Gehege mit Ziegen, Durst oder das Einhorn, das seinen Sichheitsgurt, an dem es um Leonies Hals hängt, verwurstelt hat.

Das reife-Kischen-Gebiet liegt hinter uns. Jetzt gibt es täglich frische Kriecherl, die wir entlang des Weges finden und die uns manchmal regelrecht in den Mund hängen. Heute reichte ich Leonie bei der Fahrt ein Kriecherl von meinem Korb nach hinten und keine Minute später spürte ihre Hände am Rücken: „Ich wische mir meine Hände in dein Tucherl.“ Das Laiberl war sowieso abends zum Waschen.
An einem Bahnübergang kamen wir neben einem Auto zu stehen. Johannes zeigte auf die Nummertafel, ein Linzer Kennzeichen, und sagt zum Fahrer, der zum offenen Fenster raus schaute: „Da sind wir auch gestartet.“ Es dauerte etwas bis der junge Mann, im Auto saßen mehrere Familienmitglieder, verstand, dass wir von Linz mit dem Fahrrad her geradelt waren. Dann fragte er „Wie viele Stunden habt ihr gebraucht?“

Gegen drei Uhr erreichten wir den gut gepflegten Campingplatz „Budzak“, unweit des Radweges, rund acht Kilometer vor Apatin. Der Besitzer arbeitete gerade mit der Motorsense und wenn er dann fertig sein wird, erzählte er in einer Mischung aus Deutsch und Englisch, käme das Spritzmittel für die Gelsen. Ob das eine beruhigende Information sein hätte sollen? Trotz seiner Maßnahmen stachen uns im Laufe des Abends mehr als genug Viecher. Es war wirklich eine Plagerei mit ihnen. Ob das irgendwann anders werden im Laufe der nächsten Wochen? Und ob wir, wenn es keine Gelsen gibt, immer in einer besprühen Umgebung sitzen? Wenn die Spritzerei auch weniger Gelsen macht, ein gutes Gefühl macht sie jedenfalls nicht.

Johannes schaut kontinuierlich darauf, dass es unseren Rädern gut geht. Heute früh machte irgendwas an meinem Rad „miau, miau, … miau, miau, …“. Zwei Mal musste ich stehen bleiben, dann hat er das Geräusch-verursachende Teil gefunden und geölt. Am Nachmittag gab es dann am Campingplatz ein umfassendes Service. Danke!
Online las ich irgendwo, dass der Campingplatz rund 5€ koste. Vielleicht für eine Person. Für uns drei zahlten wir unwesentlich weniger als für das tolle Zimmer vergangener Nacht, nämlich rund 25€.

25. Tag, 6. Juli7
Campingplatz Budzak – Bogojevo Štrand, 42 km

Zuallererst zwei Tiersuchbilder. Zudem sahen wir heute im Lauf des Tages zahlreiche Reiher, mehrere dahin staksende Störche und zwei auffliegende Schwarzstörche.
Es dauert immer bis wir in der Früh reisefertig sind. Dass der Start in den Tag angenehm verläuft, ist eine Herausforderung. Nicht alle drei sind wir Morgenmenschen: Es gilt unterschiedlichste Bedarfe ineinandergreifend zu berücksichtigen: noch liegen bleiben wollen, Kaffee herrichten und frühstücken, packen und Zelt abbauen und Morgenhygiene.

In Apatin sahen wir endlich wieder einmal die Donau. Der Weg verlief zuletzt über weite Strecken weit weg davon.
Wir kauften Lebensmittel ein, aßen ein zweites, „richtiges“ Frühstück und radelten los, immer den Schildern nach.

Großindustrielle Agrarwirtschaft gliech sich bisher überall. Östlich von Wien, südlich von Budapest und jetzt westlichen von Novi Sad: die menschenleeren flachen Felder, der gleiche Düngemittelgeruch und die gleichen Marken der immens großen Bearbeitungsmaschinen. Hier im nördlichen Serbien dehnen sich Mais-, Getreide- und vor allem Sojabohnenfelder bis an alle umliegenden Horizonte aus.
Heiß war es. Wir überlegten, ob wir doch besser die Alternativroute durch die Dörfer hätten nehmen sollen. Vielleicht wäre es dort schattiger gewesen. Kürzer wäre sie alle Mal. Für heute gab es kein zurück mehr. Wir radelten und kamen ins Naturschutzgebiet Obere Donau, dass an dieser Stelle mit einem massiven Zaun begrenzt ist. Bald wußtenen wir warum: eine Wildschweinrotte quert vor uns die Straße. Zwei ausgewachsene Tiere und hinten drein der Nachwuchs. „Endlich Wildschweine gesehen.“ höre ich hinter meinem Rücken. Wir blieben stehen, tranken und sahen ein Stück weiter bereits die nächste Familie im Gestrüpp verschwinden.

Die nächsten Kilometer hielten wir nach ihnen Ausschau. Es waren noch einige, die wir zu Gesicht bekamen. Kleine und größere, alleine und im Verbund. Es wirkte so, als ob sie überrascht wären, dass sie nicht die einzigen hier sind. So sehr wir uns über sie freuten, waren wir auch froh, dass sie nicht neugieriger darauf waren, zu sehen, wer vorbei kommt, sondern alle im flotten Schweinsgalopp vor uns Reißaus nahmen.

Der Blick vom Damm in die Aulandschaft war beeindruckend. Rechts des Dammes dehnte sich das Naturschutzgebiet Obere Donau aus. Das Hochwasser der letzten Wochen hat Algenteppiche hinterlassen, die sich wie Fetzen eines dicken Stoffes über die Äste spannten.

„Naturdarm müsste es heißen“, sagt Johannes, fährt noch ein paar Meter und steigt ab. Wir schieben den Anhänger mit dem schlafenden Kind.

Irgendwann ging ein Weg rechts runter: Sonta Dunav, der Platz eines Vereins. Fischer, vielleicht. Für eine Pause Schatten wurden wir freundlich aufgenommen. Danach ging es die verbleibenden Kilometer wieder leichter dahin, wenn auch auf Bruchschotter, der auf die Aspaltdecke wartet(!).

Badesee. Gastronomie. Wochenende. Nie wissen wir, welche Art von Campingplatz uns erwartet. Heute gibt es gar keinen Campingplatz, aber vom Betreiber und seinem Onkel wurden wir eingeladen das Zelt aufzustellen wo wir wollen. Leonie stürzte sich ins Wasser. Endlich. Und in den Sand.

26. Tag, 7. Juli
Štrand Bogojevo – Vajaska, 45 km

In den letzten Nächten hörten wir aus der Ferne die Hunde der umliegenden Dörfer und Häuser gegeneinander anbellen. Vergangene Nacht lagen wir erstmals Mitten drin im Kläffen und Bellen, im Jaulen und Knurren. Es störte die Nachtruhe erheblich. Kaum waren die einen ruhig, legten die anderen los.
Das würde bei uns nicht (mehr) gehen. Es würde einfach, glaube ich zumindest, zu viele Menschen nerven.
Ganz naiv dachte ich, hinter Wien wird alles anders. Erst wurde nur wenige anders. Und wann genau etwas anders wurde, ließ sich meist nicht definieren. Die meisten Veränderungen schliechen sich ein, still und unauffällig. Nur mache „ersten Male“ erlebten wir bewusst: die erste Schotterpiste, die erste Gelseninvasion, der erste Reiher, der erste türkische Kaffee, das erste Pferdefuhrwerk und das erste Mal wild campen. Den erste herrenlosen Hund, wo sahen wir ihn? Wann wurde aus ihm eine sich selbst überlassene Meute?
Leonie wachte trotz nächtlichem Gebell munter auf: „Baden gehen will ich. Es ist wieder Tag.“ Sie pritschelte. Wir packten wieder unseren Hausstand zusammen.
Die Nacht verbrachte Jana aus Regensburg neben uns in ihrem Zelt. Sie war von zu Hause aus zu Fuß unterwegs, ebenfalls ans Schwarze Meer. Das ist allerdings nicht ihr Ziel, sie will auf dem Landweg nach Indien um dort eine Yoga-Ausbildung zu machen. Ein beeindruckendes Vorhaben. Sie war bereits weg als wir am Morgen aus dem Zelt krabbelten.

Sonntag. Wir radelten zwischen großen Felder hindurch. Es fuhren die Mähdrescher. Heiß war es. Arg heiß. Wir radelten. Johannes hatte heute etwas frei. Für ein paar Kilometer fuhr ich sein Rad und zog den Anhänger mit Leonie.

Ziva. Zwischen großen verlassen Gebäuden, Stallruinen, die irgendwann ein landwirtschaftlicher Betrieb waren, rasteten wir lange und ausgiebig bis die Kraft der Sonne nachließ und der leichte Wind kühler wehte. Auf der Karte war in 10 km ein Badeteich mit dem Namen Provala eingezeichnet. Wir brauchten dringend eine Kühlung und gingen davon aus, dass wir dort einfach wieder unser Zelt aufstellen können.

Wir sahen, dass sich ein Gewitter zusammen braute. Und als wir zum See kamen, war da nicht nur ein Campingplatz sondern auch ein „Burghotel“: Backi Dvor Jezero Provela. Das, was in Bogojevo eine Baustelle geblieben war, wurde an diesem Ort fertig gestellt. Für 37€ gab es das Zimmer. Wir überlegten nicht lange. Johannes, der unsere Sachen versorgte, die Räder in einer Garage unterstellen konnte, kam bereits ganz durchnässt ins Zimmer. Ein richtiges Sommergewitter inklusive Hagel zog über uns hinweg. Wie gut im trockenen Zimmer zu sitzen. Und den Badesee werden wir hoffentlich morgen früh noch nutzen können: „Baden gehen will ich. Es ist wieder Tag.“

27. Tag, 8. Juli, 27. Tag, 8. Juli
Vajaska/Provala – Bač, 12 km

Der Platz mit dem Burg-Gebäude war nach dem gestrigen heftigen Sommergewitter wie frisch gewaschen und leer, wohl auch weil Montag war.
Wir verbrachten den Vormittag am See. Wie am Bogojevo Štrand war der Boden sandig als ob es Meeresstrand wäre. Was gab es zu sehen? Kaulquappen? Nein. Ganz unerschrockene Fischkinder. In größeren und kleineren Schwärmen waren sie um uns herum im seichten Wasser unterwegs. Am liebsten wollten sie sich unter unseren Fußsohlen verstecken.

Die heißesten Stunden des Tages verbrachten wir unter den Bäumen am See. Dann erst radelten wir die paar Kilometer nach Bač. Anderen Radreisenden sind wir seit drei Tagen nicht mehr begegnet. Zuletzt kam uns eine Familie aus Frankreich, ich schätze der Bursche war ungefähr neun, zehn, entgegen. Sie waren im April in Rom gestartet und radelten auf dem Eurovelo 6 nach Hause, wofür sie noch rund zwei Monate brauchen werden. Unseren kanadischen Bekannten (Katharina Rosen und ihrer Familie mit dem Burschen Zion) war es übrigends ab Budapest zu heiß geworden. Sie radelten noch bis Ende des Monats in Irland.
Dafür begegnen wir anderen Menschen. Interessierten, hilfsbereiten, aufmerksamen, unkomplizierten.
Heute war der erste absolute Stimmungstiefpunk unserer Reise. Nach vier Wochen redeten wir das erste Mal von frühzeitiger Heimfahrt. Es schien die Grenze unserer Unbequemlichkeitsfähigkeit erreicht zu sein. Die Hitze zu den Mittagsstunden, die Gelsen an den Abenden, die unattraktiven Zickizacki-Strecken der letzten Tage, die uns das Gefühl gibt, nicht weiter zu kommen und der Umstand, das Leonie seit ein paar Tagen nicht mehr im Anhänger sitzen will, was dazu führt, dass ihr der Mittagsschlaf fehlt, wasauch nicht förderlich ist für unser aller Gelassenheit.
Wir radelten in Bač ein. Die Ruine der Festung Bač aus dem 14. Jahrhundert schaute schön aus, aber wir hatten dafür grad gar keine Nerven, saßen am Straßenrand und versuchten Leonie, die dringend Schlaf gebraucht hätte, zu beruhigen. Die online gesuchte Pension Jakić schaute geschlossen aus. Wir fragten erst gar nicht. Auch das noch. Einen offiziellen Campingplatz gab es hier nicht.
Wir redeten gar nix mehr. Standen planlos vor dem Supermarkt herum. Nukelten an einem Softdrink und kauften eine ganze Wassermelone. Der Besitzer der Kneipe daneben kam und fragte, was wir bräuchten. Wie so viele Menschen in Serbien sprach er etwas deutsch. Das andere Hotel im Ortszentrum habe geschlossen. Aber ob die Pension nicht doch offen habe? Irgendwas zum Nächtigen gäbe es zwei, drei Kilometer weiter außerhalb. Und er kenne jemand mit zwei Zimmer zum Vermieten. Wäre auch eine Möglichkeit. Dann gab es die Idee auf seiner Wiese neben dem Supermarkt und der Kneipe zu campen. Wir ließen uns dort erstmal nieder, kaufen nochmals, etwas hoffnungsvoll Erdbeersaft und schnitten die Melone an. Es gibt hier überall diese DInger immer nur als ganzes. Sie kommen aus der Gegend. Wir aßen die saftige Melone. Wo könnten wir aufs Klo gehen, wenn wir hier Campen? Der Mann wird die Kneipe ja auch Mal zusperren. Es dauerte nicht lange, da begannen sechs Burschen neben uns auf einem Betonfeld mit zwei kleinen Fussballtoren zu spielen und rangeln Sie waren erst zurückhaltend und wurden dann doch neugieriger. Sie stellten Fragen, auf serbisch. Einer sprach etwas mehr Englisch als die anderen. Endlich kam mein „Ohne Wörter Wörterbuch“ mit vielen Bildchen drin zum Einsatz. Wir schafften es ihnen in Grundzügen von unserer Reise zu erzählen. Ihre unbeschwerte Neugier rettete vorerst unsere Stimmung. Ein 18 Jähriger kam dazu. Er konnte auch nicht mehr Englisch als die Kleinen. Die Nachbarsfamilie von gegenüber kam an den Zaun, fragte was wir bräuchten.

Johannes sprach mit ihnen. Ich schnitt den Burschen die zweite Hälfte der Melone auf. Die Nachbarn wußten, dass bei der Pension durchaus Zimmer vermietet werden. Wir packten unsere Jausensachen ein und verabschiedeten uns von den Burschen, nicht ohne davor Fotos gemacht zu haben. Der ältere ließ es sich nicht nehmen und begleitet uns zur Pension.

Frau Jakić ist Schwabendeutsche. Aus Ulm stammten ihre Vorfahren. Für 20€ vermietete sie uns ein Zimmer und erzählte, dass die Nachbarin in Linz lebte, jetzt aber gerade auf Familienbesuch da sei. Als wir uns dann erneut zum Supermarkt aufmachten, trafen wir sie tatsächlich. Sie ging auch noch einkaufen. Die hilfreichen Nachbarn grüßten über den Zaun, die Burschen winkten vom Fussballspielen herüber. Bač war super.

28. Tag, 9. Juli
Bač – Gložan, 41 km

Heute sah unsere Welt komplett anders aus. Als ob irgendein Schalter umgelegt worden wäre. Nach einem improvisierten Frühstück mit leckerem Tomaten-Weißer Käse-Salat im dunkel möblierten Pensionszimmer und einer ordentlichen Portion Himbeeren, auf die wir von den Nachbarn auf ihr Feld eingeladen worden waren, radelten wir wieder los.
Nachdem es zwei Nächte geregnet hatte, entschieden wir uns gegen den Dammweg, der auf der Karte nicht durchgehend als aspaltiert eingezeichnet war. Auf Gatschwegen fest zu stecken, die dort möglicherweise auf uns warteten, konnten wir verzichten. Zudem war der Dammweg doppelt so lange wie die direkte Straßenverbindung. Wir radelten also auf der Bundesstraße von Bač bis Bačka Palanka, 24 km. Am Vormittag war zum Glück wenig Verkehr.

Mit Trick und Geschick fuhr Leonie dann heute doch wieder im Anhänger – und schlief! Es geht nix über ein ausgeschlafenes Kind!
In Bačka Palanka radelten wir einfach durch, obwohl es angenehm aussah, direkt zur Donau und zum Tikvara See, der direkt daneben lag. Die Gemüseschnitzel, den Panierten Käse und den Šopska Salat können wir im dortigen Dunav Čarda Restoran sehr empfehlen. Während wir auf das Essen warteten, hatte Leonie viel zu tun: Die Hufe vom Dinosaurier mussten ausgeputzt werden.

Immer wieder sprangen neben uns Fische an die Wasseroberfläche als wir dann im See badeten. Am Wochenende wuselt es hier vermutlich, heute waren kaum Menschen da. Komisch war uns, dass dann ein Traktor mit einem Scheibengrubber kam und den gesamten Sandstrand zu einem Feld machte. Gut, dass wir da schon am aufbrechen waren.

Nachdem wir bis Mittag so vergnügt unterwegs waren, entschieden wir, dass wir weiterradeln wollten und nicht wie gestern besprochen ein paar Tage Pause in Bačka Palanka machen werden. Das erste Mal buchten wir im Voraus (also ein paar Stunden im Voraus) ein Zimmer für die Nacht. Das Ethno & Coffee House Tulip in Gložan schaute online entzückend aus, die Strecke bis dorthin für den späteren Nachmittag auch noch gut machbar.

Aus Bačka Palanka rausfahrend kamen wir wieder an einem dieser gigantischen Silo-Komplexe vorbei. In vielen Orten stehen sie. Was genau darin gelagert wird, wissen wir nicht. Mais? Getreide? Alles mögliche, das hier auf den Feldern wächst vermutlich.
Die Strecke zwischen Bačka Palanka und Gložan war mühsam: Obwohl es die Hauptroute des Donauradweges ist, ging es auf stark befahrener Bundesstraße dahin. Das Sommergewitter mit Hagel, das wir im Burghotel gut überstanden, war in dieser Gegend am ärgsten gewesen. Vom Mais und von den Sonnenblumen auf den Feldern war nur noch zerfledderte Stengel übrig geblieben.


Beim Supermarkt in Gložan überlegte Johannes, was er noch fürs Abendessen einkaufen will. Dann entschieden wir uns doch für die Zucchini, die wir seit Tagen im Gepäck mitführen. Beim Ethno & Coffee House Tulip arbeitete Pavel gerade im Garten. Auch hier hat der Hagel einiges an Schaden angerichtet. Seine Frau Tatiana und er haben aus dem Haus, dass seiner Großmutter gehörte, eine idyllische Insel für Gäste gemacht. Liebevoll war das Zimmer und der Garten gestaltet. Eine kleine Vase mit frischen Blümchen stand im Fensterbrett.

Leonie wurde von Pavel eingeladen mit zum Marillenbaum zu kommen. Sie schmeckten ihr so, dass sie auf den Zucchini zum Abendessen gut verzichten konnte. Es war ein vergnüglicher Tag. So kann es weiter gehen.

29. Tag, 10. Juli
Gložan – Novi Sad, 37 km

Am Morgen regnete es. Aber wie die vergangenen zwei Tage hörte es im Laufe des Vormittags auf.

Marillen und Nektarinen, Paprika und Tomaten kamen aus dem eigenen Garten, Wurst und Speck von den eigenen Schweinen, Hühner hatten sie auch. Bier braute Pavel selbst. Den gestern gepressten Marillenaft für das Frühstück hatte er zu Hause vergessen, deshalb bereitete Pavel frischen Marillen-Smoothie für uns zu. Neben dem Frühstücksraum war der ehemalige zentrale Wohnraum des Hauses zugänglich. Er war in seiner historischen Form belassen, mit dem ehemaligen Mobiliar, einem gemauerten Ofen und Textilien ausgestattet.
Pavel und seine Familie haben slowakische Pässe. Sie könnten überall in der EU hin gehen. Auswandern, wie man so schön sagt. Sie haben ganz bewusst entschieden zu bleiben, das Haus der Großmutter zu renovieren, sich möglichst autark mit Lebensmittel zu versorgen und zudem Gäste an ihrem Platz willkommen zu heißen.
Es war schon späterer Vormittag als wir uns verabschiedeten. Der Dammweg nach Novi Sad sei seit letztem Jahr durchgehend asphaltiert, versicherte uns Pavel und so schlugen wir den Weg dahin ein.


Wir radelten wieder an einer Schafherde vorbei und hielten nach dem Hirtenhund Ausschau. Ich fragte die Schäferin: „Wuff Wuff?“ Sie musste lachen, sagte etwas, das ich als „kein Hund“ interpretiere und tippte sich selbst auf die Brust „Wuff Wuff“.
Wir radelten am flachen Damm zügig dahin. Leonie schlief bei kühlerem Wetter ausnahmsweise zugedeckt im Anhänger. In der Ferne am gegenüberliegenden Ufer reihte sich Hügel an Hügel. Dort würde ich nicht gerne radeln wollen.
Dass die Schäferin keinen Hund hatte, wunderte uns. Überall gab es Hunde. Einige sahen wir mitten am Feld, so wie man bei uns manchmal eine Gruppe Rehe sieht, die weit uns breit keinen Wald zur Verfügung haben. Hinter jedem Gartentor wachte mindestens ein Hund, wenn nicht zwei oder drei oder viele, auf den Straßen liefen sie herum, machnche waren an Leinen, die meisten aber waren autark und gingen selbständig Gassi.

Firmengelände werden von Hunden bewacht und auch einfach irgendwo im Nirgendwo lagen sie zum Schlafen. Die Freilaufenden bellten nicht und kümmerten sich nicht extra um uns. Richtig unangenehms waren die, die hinter den hohen Zäunen und Mauern lauerten, völlig unerwartet zu bellen begannen und sich mit ganzem Gewicht gegen den Zaun fallen ließen. Vor diesen erschracken wir immer wieder.

Um zwei Uhr waren wir in Novi Sad. Auf einem Schiffsrestaurant gab es leckere Toasts. Danach war das Hostel Varadinn rasch gefunden. Es war kühl heute, wir genossen unser Zimmer, wenn auch Johannes sagte, dass es wie eine Puppenstube sei. Sogar Leonie ist zweimal wo dagegen gerannt. Auch sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dass sie so wenig Bewegungsspielraum hat. Nach einer ausgedehnten Schlafpause bestiegen wir den Hügel auf dem die historisch wichtige Festung Petrovaradin liegt. Was für ein tolles Panorama: die Stadt, die Donau, das Abendrot.



30. Tag, 11. Juni
Novi Sad – Stari Slankamen, 42 km

Wir schwammen noch eine Runde im Pool bevor wir aus Novi Sad raus radelten. Es ging zehn Kilometer auf der Transitstraße in Richtung Belgrad dahin. Dass sie, die Serben, einem da als Radlerinnen und Radler überhaupt fahren lassen, erschien uns sehr wild, sowohl für uns als auch für die Auto- und LKW-Fahrer und Fahrerinnen. Leonie war bester Laune und erfand sich Geschichten. Heute hörte ich etwas von Babyautos, die in Mäuselöcher hinein fahren und irgendjemand bekam mehrfach gesagt, dass er kein dreckiges Badewasser trinken darf. Gelegentlich stand ich auf dem Rad auf um mich etwas zu dehnen. Da saß ich auf einmal sehr weich. Leonie kudderte. Sie hatte mir das Einhorn untergeschoben. Ich wich einem Aspaltloch aus, links von mir rattert ein LKW mit Anhänger vorbei. Leonie zog am Einhorn. Johannes und ich waren erleichtert, als wir endlich links abbiegen konnten. Anfangs fuhren auch auf dieser Schotterstraße noch einige LKWs. Wir wunderten uns. Als sie dann nach dem Gelände einer Baufirma noch immer an uns vorbei wollten, waren wir irritiert. Dann stellten wir fest, dass wir direkt in einem Baustellengelände radelten. Ja, auch die lokale Bevölkerung fuhr diese Trasse. Zum zweiten Mal wunderten wir uns an diesem Tag, dass man da überhaupt jemand fahren lässt. Die Bahnstrecke Belgrad – Novi Sad wird zweigleisig ausgebaut. Rund 10 km ging es im Baustellenbereich dahin: Baufahrzeuge, grüßende Arbeiter, Schotterpiste, Wasserlachen, beeindruckende Gerüstkonstruktionen für Stützpfeiler. Vom Kindersitze hörte ich nichts mehr. Auch Leonie schie beeindruckt gewesen zu sein. „Servus!“ rief jemand zu uns her. Dass passierte uns immer wieder, das wir gleich auf deutsch angesprochen wurden. Die Menschen hier wissen, dass die RadelfahrerInnen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem deutschsprachigen Land kommen. Das war mir immer mehr bewusst geworden, dass vermutlich nur Menschen mit gut gesichertem und sehr bequemem Lebensalltag derart unbequeme Reisen machten. Viele Menschen hier finden es zwar irgendwie „cool“, bezeugen uns ihre Sympathie mit Hupen und nach oben gestreckten Daumen. Die meisten können sich aber bei einem durchschnittlichen Einkommen von rund 300, 400 Euro vermutlich gerade Mal den Alltag leisten und besuchen im Urlaub verwandte, oder wählen gemütliche, bequemere Urlaub. Vermutlich.


Endlich erreichten wir das Ende der Großbaustelle. Und da kamen unsere ersten Steigungen! Wie viele Kilometer sind wir bisher flach, wirklich flach dahin geradelt? Sind es schon 1000? Wir strampelten hinauf in die Ortschaft Cortanovci und machten eine ausgiebige Mittagspause. Bisher war es, so unglaublich mir das auch scheint, tatsächlich flach dahin gegangen. Nur der Bühel in Schönbühel, irgendwo in Niederösterreich, gab es einen Anstieg.
Mitten im Ort an einer Kreuzung machten wir Mittagspause. Wir waren froh, die zwei Streckenabschnitt des heutigen Vormittages geschafft zu haben und auf der Decke zu rasten. Leonie hingegen war gut ausgeruht. Sie wollte Kunststücke machen.

In Beška sahen wir ein Schild, das uns bewusst macht, dass das Donauwasser ab hier 333 km weniger Strecke bis zum Schwarzen Meer vor sich als wir. Beška liegt auf der Höhe von Stromkilometer 1247.

Zum Glück ging es dann auf weniger befahrenen Landstraßen gut dahin. In den Dörfern sahen wir immer wieder Menschen, die Melonen verkauften. Wir könnten sie nur kurz vor einer geplanten Rast kaufen. So eine Kugel wollte keiner von uns lange mittransportieren. Und, wie gesagt, gibt es hier Meonen nur im Ganzen.
Nachdem Leonie schlief, radelten wir bis Stari Slankamen. Noch nicht einmal ganz im Ort angekommen, wurden wir von einer Frau vom Auto aus angesprochen. Ob wir ein Zimmer suchten. Wir nahmen das angebotene Zimmer und beobachteten, wie so weitere Gäste für die Nacht organisiert wurden. Es gab eine weitere Pension im Ort, mit möglicherweise attraktiveren Zimmern. Da muss man schon schauen, wie man ein Geschäft macht.
Der sogenannte Strand war arg verdreckt, voller Scherben und Müll. Mit dem ersehnten Pritscheln wurde es nichts, dafür fanden wir eine Schlangenhaut.

Dann lungerten wir, wie die meisten anderen Menschen hier, beim Wirt an der Kreuzung, der zugleich auch ein Geschäft hatte, herum. Wir schauten den Menschen zu, die hier offensichtlich in der riesigen Reha-Anstalt für Probleme mit dem Bewegungsapparat untergebracht waren. Wir schauten den hunderten von Schwalben zu, die unter den Dachvorsprüngen der Anstalt seit Generationen ihre Nester zu bauen schienen und den Dorfhunden, die sich vor uns balgten und rangelten. Stari Slankamen. Der Ort hätte mit seiner geschützten Lage an der Donau Potential für Tourismus, wirkte aber alles in allem vernachlässigt und recht skurril.

31. Tag, 12. Juli
Stari Slankamen – Skorenovac, 76 km mit dem Auto gefahren, 28 km geradelte

Bei den Reisevorbereitungen lasen wir immer wieder von den abenteuerlichen Radfahrbedingungen durch Belgrad. Keine Radwege, rücksichtslose Autofahrerinnen und Autofahrer, viel Vehrkehr und nur eine einzige Bücke, eine Autobahnbrücke, die aus der Stadt hinaus führt. Belgrad mit knapp 1,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern und die rund 25 km durch die Stadt wollten wir uns nicht antun. Seit Tagen überlegten wir, welche Möglichkeiten es für uns gäbe mit den Fahrrädern und dem Kinder-Anhänger auf die andere Seite von Belgrad zu kommen: Linenschiff auf der Donau? Zug? Taxi?

Unsere geschäftstüchtigen Vermieter aus Stari Slankamen brachten uns heute Vormittag mit zwei Autos die rund 76 km nach Pančevo, nordöstlich von Belgrad. Im Lieferwagen fuhr unser Equipment, im Audi fuhren wir. Ich war froh, dass dieser ein Board-Klo hatte und wir nicht jedes Mal stehen bleiben mussten, wenn das Einhorn Kacki machen musste!

In Pančevo angekommen machten wir gleich Mal Mittagspause an der Temsch. Leonie nutzte die Gelegenheit und lies sich von den zwei jungen Frauen, die auf der Bank neben uns mit Nagellack hantieren, ihre Nägel anpinseln.

Der Weg aus Pančevo raus verlief zum Teil auf der stark befahrener Straße, zum Teil aber auf eigenem Aspaltweg, der jedoch mühsam war, weil der Belag sehr holprig war, die Fahrbahnbreite gering war und zudem alle paar Meter man einen Boardstein hatte. Dann kam auch noch ein Radweg-Schild, dass darauf hinwies, dass eine gewisse Zeit im Jahr die Bäume entlang des Weges ihre Stacheln abwerfen, die auch für gute Radreifen zum Problem werden könnten. OK, danke für den Hinweis. Wir benutzten die viel befahrene Fahrbahn. In der Ortschaft Starčevo hatten wir dann dennoch unseren ersten Platten, und zwar am Anhänger. Vorbei war es vorerst mit dem Leonies beginnendem Mittagsschlaf.

Ohne viel murren und knurren wechselte Johannes den Schlauch und zur Sicherheit auch den Mantel. Er hatte beides auf Reserve für uns eingepackt. Es dauerte nicht lange und wir waren wieder Fahrbereit. Johannes hielt Ausschau nach einem Geschäft indem er Pickzeug oder einen neuen Ersatzschlauch bekommen könnte. Wir blieben gleich noch im Ort bei einem Laden, der von außen wie ein Mini-Lagerhaus wirkte, stehen. Der Verkäufer sprach etwas deutsch, holte aber dann doch die Töchter der Familie, von denen die größere, Anja, sehr gut englisch sprach. Bald hatte Johannes Pickzeug (Kleber mit acht Pickerl, ein Stück Schleifpapier wird auch noch wo runter geschnitten) in der Hand. Im Laden gab es alles was man so braucht für kleinere Arbeiten an Haus und Hof. Nein, zahlen müssten wir es nicht. Ob wir was zum Trinken wollen, ob wir uns reinsetzen wollen, wurden wir gefragt. Wir saßen bei Anja, Tijana und ihrer Mutter Milena hinter dem Geschäft, quasi im „Sozialraum“. Die Familie hat eine Landwirtschaft, Sonnenblumen-, und Maisfelder. Der Raum in dem wir saßen, war für die Arbeiter vor und nach der Arbeit und in den Pausen, erklärte uns Anja. Ihr Vater, der dann mit zwei Arbeiter kam, erzählte, dass er als Kind sieben Mal in Eferding gewesen ist, zu Besuch bei seiner Oma und ihrer Schwester. Wir erzählten von unserer Radreise und freuten uns Anja und ihre Familie kennengelernt zu haben. Danke für das Pickzeug und die Gastfreundschaft!

Leonie schlief mit einer geschenkten Familienpackung Kekse unterm Arm im Anhänger mit dem neuen Reifen ein. Wir radelten so flott wir konnten. In der Ortschaft Skorenovac war ein Campingplatz eingezeichnet. Mal sehen ob es ihn gibt.
Kein Campingplatz ist wie der andere. Der Platz in Skorenovac wurde bei einem privaten Wohnhaus, das offensichtlich derzeit keiner bewohnte, „installiert“. Oder wie soll ich sagen: ausgeschildert, definiert, ins Leben gerufen. Es hängt ein Schild vor dem Tor: Wenn man bei der dort notierten Telefonnummer anruft, käme jemand und lässt einen rein. Mischi, falls wir den Namen richtig verstanden haben, kam, zeigte uns den Platz und die großzügige Sanitäranlage. Lautstark wurden wir von zwei Esel, die ihr Gehege mit zwei Schafe teilen, begrüßt. In einem größeren Käfig kletterte ein Sittich den Ast rauf und runter und ein Schäferhund umschlich uns aus einiger Entfernung. Wir waren die einzigen Camping-Gäste.

Nach vielen Nächten in Zimmern bauten wir wieder unser Zelt auf und gingen Abendessen ins Gasthaus, das der gleichen Familie gehört wie der Campingplatz. Der Tisch wurde gedeckt, wir bestellten Getränke. Die Speisekarte? Es gäbe keine Speisekarte, das Essen sei in einer Minute auf dem Tisch, machte mir der junge und bemühte Bursche verständlich. Es brachte ihn auch nicht weiter aus dem Konzept, als ich ihm sagte, dass ich aber Vegetarierin sei. Zwischen Küche, einem Freund am Tisch, der ihm mit englischem Vokabular aushalf, und mir, flitze er hin und her um die Angelegenheit zu regeln. Erst bekamen wir zwei große Schüssel mit Suppe, eine mit, eine ohne Fleisch, dafür mit Fisolen auf den Tisch gestellt. Für Johannes gab es dann Gefüllte Paprika und für mich Omlett mit Käse. Alles schmeckte uns. Zur Frühstücksüberraschung kamen wir am nächsten Morgen wieder!

32. Tag, 13. Juli
Skorenovac – Ram, 46 km

Wieder war die Nachtruhe vom unruhigen Gebell der Hunde durchzogen. Zudem knapperten, scharrten und traten die zwei Esel immer wieder gut hörbar im Gehege umher. Kurz nach halb drei, das war heute früh meine Blog-Schreibzeit, krähten das erste Mal die Hähne. Das fand sogar ich sehr früh!


Jeder Campingplatz ist anders. Beim Cyclo Camping in Skorenovac waren nicht nur die Tiere besonders, sondern auch die Sanitäranlagen.
Immer wieder werden wir von Menschen gefragt, wie es für das Kind sei, so eine Reise zu machen. Wenn wir Leonie fragen, sagt sie „Gut.“ oder „Die Gelsen sind ungut.“ oder „Normal.“ „Es ist ein kleines Abenteuer.“, hat sie auch schon gesagt.
Am Vormittag lässt sie nach wie vor gerne in den Sitz heben und den Helm aufsetzen, fragt, wie der nächste Ort heißt und ob man dort baden kann. Und ob es dort ein Eis zu kaufen gibt. Seit unseren zwei arg anstrengenden Hitzetagen entlang der so unattraktiven Strecke, war unsere allgemeine Stimmung wieder sehr fein und vergnüglt. Es waren diese Tage nicht so exrem heiß und die Strecke war abwechslungsreich. An das Fahren auf Landstraßen hatten wir uns inzwischen auch gewöhnt. Es gab weniger Gelsen oder vielleicht hatten wir uns auch an sie einfach gewöhnt. Die größte Herausforderung war an diesen Tagen unsere Pippilotta zum Mittagsschlaf im Anhänger zu verführen.

Bei der Fahrt aus der Ortschaft Skorenovac öffnete gerade der Schmied seine Werkstatt. Wir blieben stehen. Er zeigte uns seine Hufeisen. Leonie bekam ein Glas Kuhmilch. Ja, sie haben selbst eine Kuh, vielleicht auch mehrere. Das erfragten wir mangels gemeinsamer Sprache nicht. Dann brachte die Frau ein sehr großes Stück Frischkäse, ebenfalls selbstgemacht. Es war ein Geschenk für uns.

Plötzlich änderte sich die Landschaft. Weg waren die feuchten Auen, die nicht überblickbaren Felder, die schier endlose Ebene. Die Autos mit rumänisch Kennzeichen wurden immer mehr und auch erstaunlich viele Fahrzeuge mit deutschen und österreichischen Nummertafeln fuhren vorbei. Alles Menschen, die auf Familien- und Verwandtenbesuch hier her fahren.

Nach der vielen Kilometer aufder Landstraße, entschieden wir uns dafür, den Dammweg zu nehmen. Er führte entlang des Dunav-Tisa-Kanal nach Stara Palanka, dass am linken Donauufer bereits an der Grenze zu Rumänien liegt. Es ging auf dem harten Feldweg relativ gut dahin. Wieder sahen wir einige Reiher und kamen durch eine große Kuhherde mit Hirten. Auch seine Hunde waren wie alle bisher sehr ruhig und zurückhaltend. In Stara Palanka erreichten wir zufällig gerade die Fähre, die alle zwei Stunden übersetzt. Wir hatten mittags gar nicht gedacht, dass wir heute noch so weit kommen würden. Einige andere Radreisende, auch Jasmin aus Luxemburg, die wir in Tulln kennengelernt hatten, trafen wir hier wieder. Wir entschieden sofort nach Ram zu fahren und nicht wie geplant in Stara Palanka zu nächtigen.

Nach dem es in Ram keine offizielle Möglichkeit zum Übernachten gab, fragten wir den Wirten gleich bei der Anlegestelle, ob es die Möglichkeit zum Zelten gäbe. Mit den Händen deutete er mir ein Zelt und zeigte mir ein Stück Wiese zwischen Gasthaus, Donauufer und dem Weg zum Gasthaus-Klo. Perfekt!

Nach einem Abendessen im Gasthaus, Fisch für Leonie, der Kartoffel-Beilagensalat für Johannes und Salat mit Brot (der blieb mir ganz für mich), gingen wir rauf zur frisch revitalisierten Ruine. Was für ein Ausblick auf die Donau, die hier zu einem breiten See angewachsen ist.

33.Tag, 14. Juli
Ram – Golubac, 37 km

Mit der Überfuhr von Stara Palanka nach Ram fühlte es sich so an, als ob jetzt ein neuer Abschnitt der Reise begonnen hätte. Wir hatten rund die Hälfte der gesamten Strecke hinter uns und die andere vor uns.
Zusammenfassend konnten wir zu diesem Zeitpunkt sagen, dass wir bis dahin keinerlei schlechten Erfahrungen gemacht hatten. Unser relativ langsames Fortkommen ermöglichte viele Begegnungen, besonders in Serbien. Unsere Räder zeigten zum Glück, und dank der guten Pflege von Johannes, noch keine wesentlichen Verschleißerscheinungen, was bei dem Gewicht, das wir mittransportieren und den Straßenbelagsverhältnissen erstaunlich war. Wir hatten uns gut an den Rhythmus des täglichen Weiterziehens gewöhnt und mit allen dazugehörigen Anstrengungen taugte es uns.

Die Tagesstrecke war angenehm und landschaftlich schön. Nach Ram ging es auf frischem Asphalt dahin und gleich in der ersten Ortschaft, Zatonje, blieben wir beim Geschäft mit Gastgarten nochmals stehen. Die Leute hier, vor allem die Männer, sehen wir oft wo zusammen sitzen. Mehrere von ihnen hatten irgendwann in ihrem Leben in Österreich gearbeitet. Einer, so erzählte er, für die Firma Mautner. Während ich schaute, dass sich Pippilotta mit ihrem zweiten Frühstück (ein Eis) nicht allzusehr anpatzte, redeten die Männer über Politik. Von „Kurz kaputt“ und Erdogan, der angeblich die neu asphaltiere Straße nach Ram sowie die umfassende Renovierung der Festung Ram finanziert hatte, war die Rede.

Wir radelten seit langem endlich wieder in Sichtweite der Donau. Am gegenüberliegenden Ufer stiegen die Ausläufer der Kaparten an. Bei uns ging es, bis auf die Ausfahrt aus Ram, den ganzen Tag relativ flach dahin, auf Mal besserem, Mal auf schlechterem Asphalt. Nach einigen Tagen, an denen ich bei den Kriecherl-Bäumen vorbei geradelt bin, freute ich mich heute wieder über die frischen Früchte entlang des Weges und blieb mehrmals stehen.


Auch heute sahen wir viele Autos mit österreichischen Kennzeichen. Die Eltern und Großeltern der Sommergäste sind oft mit sehr alten Autos unterwegs. Die Kinder und Enkelkinder, die zu Besuch kommen, fahren durchwegs schwere Wägen. „Bast eh ois?“ rief uns jemand in gezielt gewähltem Wienerisch zu. Und ein schicker Herr im Anzug, zu einer Hochzeit sei er hier, grüßte ebenfalls im stilvollen Slang der Bundeshauptstadt.


Beim sogennanten Silbersee, einem abgetrennten Donauarm mit touristischer Infrastruktur, machten wir Pause. Pippilotta findet wie immer etwas zum Spielen. Heute waren es Minigolf-Stationen. Sie wurden zu ihren Wohnhäusern. Wenn sie nicht gerade mit putzen beschäftigt war, balancierte sie darauf herum. Ich wurde auf ein Sofa-Stein eingeladen und durfte ihr zuschauen.

In Veliko Gradište kamen wir zufällig zu einem lokalen Rassehundewettbewerb zurecht. Es amüsierte uns den großen und kleinen Wuffis, mit ihren großen und kleinen Besitzerinnen und Besitzern zu zu sehen. Aus Veliko Gradište raus wurden wir dann schneller und schneller. Eine dunkle Regenwolkenfont kam rasch näher. Nur kurz blieben wir stehen, nämlich als wir am warmen Asphalt vor Golubac Würfelnattern (vermutlich) liegen sahen.

Gerade noch rechtzeitig radelten wir in Golubac ein, nahmen das erste Zimmer, mit Küchenzeile, und sahen zu wir die Regenwolken weiter zogen.
Nach einer ausgiebigen Rast gingen wir raus an die Donau. Wie fast täglich sind Johannes und ich gut müde. Pippilotta ist fit und will noch turnen.

34.Tag, 15. Juli
Golubac – Lepenski Vir, 37 km

Wie viele unterschiedliche Dinge es gibt, die die nächtliche Ruhe stören können! Diesmal waren es keine Geräusche, auch keine Gelsen oder andere tierische Plagen, sondern schlichtweg die Menge an Waschmittel, die für die Bettwäsche verwendet worden war. Den anderen Zweien war es egal. Ich hatte das Gefühl in einem Waschpulverkarton zu liegen, so intensiv roch die Bettwäsche.

Die kommenden Tage werden uns durch den Nationalpark Djerdap führen, in dem sich die Donau über viele Kilometer in einer engen Schlucht durch die Ausläufer der Kaparten quetscht. Auf Deutsch wird diese Passage von rund 120 km Eisernes Tor genannt. Wir hatten vor uns dafür gut Zeit zu lassen.

Bevor wir losradelten, suchten wir die Post und die Bank. Jedes Postgebäude in Serbien sieht anders aus. Während ich drin in der Warteschlange mit einem pensionierten Deutschlehrer sprach, war Johannes draußen mit zwei anderen Männern in Kontakt. Der eine hatte in Deutschland gearbeitet, der andere lebte mit seiner Frau in Wien. Als wir aus dem Ort raus radelten, winkte er bei ihrem Haus am Gartentor. Wir waren auf Kaffee und Kekse eingeladen.

Erst kürzlich ist die Festung Golubac renoviert worden. Wir radelten dran vorbei, damit wir noch heute ein Stück in den Nationalpark Djerdap rein kommen. Wir hatten angedacht, im kleinen Ort Dobra zu bleiben, radelten aber doch nach einer Mittagspause im Park vor dem Geschäft weiter.

Die Strecke brachte eine Reihe unbeleuchteter Tunnel, kontinuierliche Steigungen und den zweiten Reifenplatzer am Anhänger mit sich. Es schien die Sonne und es war einfach schön.
Online hatten wir gelesen, dass man am Gelände des Museum Lepenski Vir campen darf. Ja, wenn wir das Zelt erst nach dem schließen des Museum, also nach 20 Uhr aufstellten und es um acht Uhr in der Früh wieder weg ist, dann passt das, wurde uns gesagt. Fein! Das Gelände war wunderbar gepflegt, die Wiese gemäht, Obstbäume gab es und einige historische Häuser, wie in einem Freilichtmuseum. Lepenski Vir ist Ort einer archäologischen Grabung, über die aufwändig ein Museum errichtet worden ist. In den 1960 Jahren begonnene Ausgrabungen brachten eine Siedlung, zahlreiche Funde aus Knochen, Skulpturen und auch Skelette zu Tage. Datiert werden die meisten Funde auf 7. Jahrtausend v.u.Z.

Wir freuten uns über die Gaststätte beim Museumsgelände, die auf unserer Karte nicht eingezeichnet war. Die Hunde freuten sich über das Missverständnis, dass ich zum Salat nicht nur Pommes bekam, sondern auch Chivapcici. Und wir freuten uns über die Hunde hier: Vier sehr knuffige Welpen bewohnten den schönen, gepflegten Platz. Sie begleiteten unseren Zeltaufbau und Pippilotta machte ihre ersten intensiven Hunde-Erfahrungen mit ihnen. Jetzt, um zwei Uhr früh liegen sie, was Johannes und Pippilotta noch nicht wissen, alle vier im Vorzelt.

35. Tag, 16. Juli
Lepenski Vir – Donji Milanovac, 15 km

Die Welpen verbrachten die Nacht in unserem Vorzelt. Mit ihnen waren wir deutlich früher als derzeit üblich wach und blieben Vormittag lange noch zum Spielen und Knuddeln. Und, bekanntlich zählen Hundefotos online zu den meist angeschauten Bildern – hier unser Beitrag dazu!


Von Lepenski Vir radelten wir in die Boljetin Schlucht und freuten uns über das erfrischende Wasser. Erst ging es hinauf, dann hinunter. Die Donau hier im Djerdap Nationalpark wirkt wie ein etwas überproportionaler Salzkammergutsee. Dann kam ein erster richtiger Anstieg: Innerhalb von zwei Kilometern ging es 125 Höhenmeter hinauf. Mit über 1000 geradelten Kilometern und etwas Anstrengung kamen wir dennoch relativ zügig hinauf. Nach Donji Milanovac ging es dann wieder flacher und bergab dahin.

Eine extra Bergetappe, mit origineller Hangbefestigung, legten wir kurz davor noch ein. Online war die sogenannte Open Air Gallery von Zika Stefanivic mehrfach interessant beschrieben. Sogar in der Huber-Karte war der Platz vermerkt. Neben den dortigen Skulpturen sollte es, so das Schild an der Straße, auch die Möglichkeit zu Campen und zu Essen geben. Wir waren hungrig, neugierig auf den Platz und Pippilotta wartete wieder einmal auf ein Eis.
Knapp zwei Kilometer strampelten und schoben wir steil hinauf. Bei den Häuschen im großen Garten, dessen Skulpturen für uns eher erschreckend als interessant waren, waren zwei Frauen beschäftigt. Erst wollte keine so recht für uns zuständig sein. Eine kam dann doch. So unfreundlich waren wir in Serbien noch nie behandelt worden. Komisch. Einmal eine offiziellen Touri-Stelle und unwirsch wurde uns gesagt, dass es kein Essen gäbe. Im ganzen Land, wurde uns Essen geschenkt, wurden wir einfach eingeladen. Am Platz mit Restaurant-Schild gab es nun nix. Nein, auch kein Eis. Nur Getränke. Das Gelände, mit unzähligen Tischen und tollem Ausblick, vermittelte fast den Eindruck, als ob man sich auf flotte Reisebusabfertigung spezialisiert hätte. Wir tranken etwas, aßen Kriecherl vom Baum und waren rasch wieder weg.
In Donji Milanovac trafen wir eine Radlerin und ihren Mann aus der Steiermark. Der Mann begleitete Johannes zum sehr versteckten Radschäft, das es zum Glück gab. Johannes bekam für den Anhänger einen neuen Radmantel und zwei Schläuche auf Reserve. Wir aßen, suchten ein Zimmer, Campingplatz gab es nicht und landeten nach zwei ausgebuchten Pensionen und der Touristeninformation im großen Hotel Lepenski Vir. Es lag schön oberhalb des Ortes – ja nochmals ein letzter steiler Anstieg, was blieb uns anderes übrig, und endlich konnten wir vom Balkon aus auf die Donau blicken. Bis auf die schöne Lage kann das Hotel als „interessant“ beschrieben werden: kommunistische Betonarchitektur, jede Menge lauter, freudiger Ferienlager-Kinder in Kombination mit sehr dünner Zimmertür. Zwischen Tür und Rahmen war ein Schlitz. Für die Akkustik machte es keinen Unterschied ob die Tür zu war oder offen. Wir wohnten im BLOC C. Das Frühstück gab es von sieben bis neun im zweiten Untergeschoss von BLOC A. Die Kinder zogen in Horden an unserer Tür vorbei zum kleinen Geschäft.

Eigentlich war der Tag, wir radelten ja nur 15 km, zum Ausrasten gedacht gewesen. Direkt im Ort hätte es einen kleinen Donaustrand gegeben, Pippilotta hätte eine neue Hose gebraucht. Die Alte war durchgewetzt. Johannes bräuchte ein neues Shirt mit langen Ärmeln. Schilder zu einem Kaffeehaus, wo es vielleicht auch Eis gäbe, hätten wir auch schon gesehen. Aber wir waren heute alle drei erschöpft. Vermutlich waren es doch die Bergetappe, die uns dazu brachten nur mehr bis zur Rezeption und zum kleinen Laden zu kommen. Die Matratze war gut, der Blick vom kleinen Balkon schön. Keiner wollte mehr das Gebäude verlassen. Kaffee machten wir mit dem Gaskocher im Zimmer, die „Mehlspeisen“ holten wir aus dem Geschäft. Gute Nacht!

36. Tag, 17. Juli
Donji Milanovac – Tekija, 42 km

Das Hotel Lepenski Vir. Ich könnte sehr ausführlich darüber schreiben, belasse es aber dabei zu sagen, dass es eine Erfahrung war, die es so vielleicht nicht mehr allzu lange geben wird. Im Foyer stand eine große Karte mit dem Nationalpark Djerdap. Hier der Ausschnitt, den wir heute radelten.

Die Passage dieses Tages wird immer wieder als der „Höhepunkt jeder Donaureise“ bezeichnet. Die Donau fließt über viele Kilometer zwischen bis zu 90m hohen Felsen in einer engen Schlucht durch. Die engste Stelle ist nur 150 breit. Wir waren gut ausgeschlafen, früh startklar und gespannt, wie wir es schaffen werden.

Nach 12 km, in Golubunje, besorgten wir noch unsere Mittagsjause. Es gab zum Glück ein kleines Geschäft.
Langsam aber stetig ging es bergauf. Wie gehabt waren nicht alle Steigungen in der Karte eingezeichnet. Mehrmals blieben wir stehen um bei den Aussichtsplätzen runter in die breite Schlucht zu schauen. Einige Male schob ich das Rad. Es war mäßiger Verkehr, aber es fuhren doch auch einige LKWs. Wenn so ein LKW einem im Tunnel überholte, war das schon etwas wild. Bei den engsten Passagen der Donau waren relativ viele Motorboote unterwegs. Wir hatten uns in den vergangenen Wochen des öfteren darüber gewundert, dass so wenig los war auf der Donau. Nur gelegentlich sah man ein Frachtschiff, die Kreuzfahrtschiff haben ihre fixen Tage, gelegentlich sahen wir Fischerboote, aber „Vergnügungsboote“, kleine Yachten, kleine Motorboote, sahen wir so gut wie nie. In dieser Passage allerdings, war heute richtig dichtes Verkehrsaufkommen.

Und schon waren wir am höchsten Aussichtspunkt. Mehrfach kontrollierte ich die Karte, ob da nicht doch noch Steigungen vor uns liegen. Aber da waren wir. Bei den Recherchen zur Tour, machten uns die Berichte zu dieser Etappe ein mulmiges Gefühl: die Enge der vielen unbeleuchteten Tunnel, die angeblich rücksichtslosen LKW- und Autofahrer, die schier endlosen Steigerungen. Und das alles mit Kind und Anhänger. Wir hatten ja lange auch geplant gehabt genau aus diesen Gründen auf der rumänischen Seite zu radeln. Aber hier waren wir. Johannes hatte recht behalten: Es ist ungefähr (Höhenmeter auf Strecke) wie von Freistadt nach Hause zu radeln. Die Sonne schien freundlichen zwischen die Steilwände, die Zikaden zirpten, der höchste Rastplatz, Golo Brdo, war mit Tischen ausgestattet. Zeit für unsere Mittagsjause.

Noch ein Stück ging es danach bergauf, aber dann nur noch bergab, meist mit Blick auf die Donau, jedenfalls durch schöne Landschaft runter bis Tekija.

In der kleinen Ortschaft, das wussten wir, darf man am Donaustrand campen. Vergnügt tummelten sich die Menschen am Schotter und im Wasser. Der Wind trieb es in heftigen Wellen vor sich her. Ganz wie in Kroatien fühlt es sich hier an, stellte Johannes fest.

Ein Schlafauto und drei Zelte. Mehr war nicht los. Einige hundert Meter weiter weg standen nochmals einige Camper, aber die waren bereits zu weit weg, um das Gefühl zu haben, dass wir auf einem gemeinsamen Platz wären. Das Klo war unbenutztbar, der Wirt der „Wohnwagenküche“ derzeit auf Urlaub, wenn man genau schaute, war der Strand ziemlich vermüllt. Dass überrascht mich immer wieder, dass es da niemand Verantwortlichen gibt, dass Keiner zuständig ist, um solche Strandplätze, die ja auch von zahlreichen Einheimischen genutzt werden, regelmäßig sauber zu machen.
Wir pritschelten im Wasser, kochten, spielten im Sand und schauten zu, wie der Tag zu Ende ging. Wir, oder zumindest ich, hatten den Tag mit der angeblich anstrengendsten Route der gesamten Strecke erwartet. Es war anstrengend, aber wir waren fit und vergnügt und bei weitem nicht so erschöpft wie an manch anderem Tag.

Extra: Wir haben Hundeflohbisse. Ich hab mit Abstand am meisten. Johannes hat schon gewusst weshalb er sie sich lieber etwas vom Leib hält und wir, Pippilotta und ich, haben sie halt sehr dicht am Leib gehalten. Die Welpen, so knuffige waren sie! Die roten Flecken jucken nicht, die Viecher übertragen bei uns auch keine Krankheiten, dennoch wollen wir diese blutsaugenden Gesellen so rasch als möglich loswerden. Die Decke, auf der die Welpen schliefen, ist schon entsorgt. Und morgen in Kladovo wird heiß gewaschen.

37. Tag, 18. Juli
Tekija – Kladovo, 22 km

Nach einer ruhigen Nacht ohne viel Hundegebell mit Blick auf die Donau aufwachen – sehr fein!
Das Frühstück holten wir beim Geschäft im Ort. Bäcker gab es in Tekija nicht, Vollkornbrot nur abgepackt und wie sich herausstellt war es von schaumstoffartiger Konsistenz. Dass das dunkle Brot, dass für uns so alltäglich ist, so normal und nicht weg zu denken, global gesehen überhaupt nicht normal ist, irritiert mich immer wieder aufs Neue. Es gab hier in Serbien auch so gut wie keinen Hartkäse. Wenn man an die große Auswahl bei uns denkt und dass es kaum eine Jause ohne Hartkäse gibt, finde ich es das interessant. Ich glaube, dass viele Menschen hier selbst Gemüse anbauen und produzieren was möglich ist. Gerade in den kleinen Geschäften gab es vor allem das, was nicht selbst hergestellt wird: Süßwaren, Getränke und Alkoholika sowie Grundnahrungsmittel wie Mehl, Zucker und dergleichen. Damit hatten wir in unserer Campingküche oft wenig angefangen. Fertiges Sugo, zum Beispiel, hatte ich schon mehrfach vergeblich gesucht.

Wir verbrachten einen gemütlichen Vormittag am Donauufer. Mehrere Kreuzfahrtschiff zogen vorbei, zwei, drei Fischerboot fuhren raus, einige wenige Frachter schoben sich donauaufwärts und zwei Kühe kamen zum Saufen.


Keine Limonade, sondern Spielzeug fischte Pippilotta aus einem Baum am Strand. Und die Hunde, die sie fand, mussten gebadet werden. Dringend. Wegen der vielen Flöhe. Das Donauwasser war angenehm zum Baden. Froh bin ich immer wieder, dass wir Badeschuhe mit haben. Auch in Tekija lag so arg viel Müll im Schotter. Kleinerer und größer Abfall. Es gab zwar freies WLAN aber niemand, der zuständig ware, ein Mal täglich das Glump weg zu räumen. Hinzu kam, dass es an Stellen, wo man bei uns mit Sicherheit einen Mülleimer findet, oft keinen gibt. Hier ist es so: ein Strand, zwar unbezahltes aber offizielles Camping, eine große Imbissstube, eine Touri-Bootsanlegestelle und nur ein einziger, mehr als überquellender Mistkübel bei der Zufahrt. Nachvollziehbar ist es nicht.


Am Nachmittag machten wir vom kleinen Hafen von Tekija aus eine Bootsfahrt hinein ins „Eiserene Tor“. Vom Wasser aus sah die gestrigen Strecke noch weniger steil und ansteigend aus, wenn auch über dem Straßenverlauf die Felswände steil anstiegen, viel höher als wir sie gestern gesehen hatten. Die Fahrt führte an allen „offiziellen Highlghts“ vorbei: an der Tabula Traiana, am Relief des Drakerkönigs Decebalus, an den ehemaligen Signalstationen und am Kloster Mraconia. Wir kamen bis zur engsten Stelle (153m) und fuhren über die tiefste Donaustelle (93m) hinweg. Und – wir entdeckten am Ufer endlich wieder Mal ein Schild, das die Stromkilometer bis zum Schwarzen Meer angibt: 968 km.



Die Strecke von Tekija nach Kladovo ging auf der wenig befahrenen Landstraße ziemlich flach dahin. Mein Akku war leer, somit gibt es davon keine Fotos.
Gegenüber am linken Donauufer liegt die rumänische Stadt Orsova, die bis 1914 zu Österreich-Ungarn gehörte und damals der letzte Ort vor der Grenze zu Rumänien war. Allerdings verschwand das damalige Orsova (km 955) mit dem Bau der Staumauer Djerdap ll unter der Wasseroberfläche.
Eine ältere Frau schenkte uns im Dorf Davidovac, kurz vor Kladovo zwei saftig reife Feigen. Offensichtlich kam sie gerade vom Baum. Wir sahen mehrere ältere Frauen vor den Häusern im Licht der Abendsonne sitzen. Lauter Omas, meinte Pippilotta.
Das Hotel Djerdap, das im Gegensatz zum Hotel Lepenski Vir nicht nur etwas für Ostblock-Fans ist, sondern internationalem Standard entspricht, liegt direkt an der Donau. Wir hatten für zwei Nächte ein Dreibettzimmer reserviert. 80€ mit Frühstück. Im Park davor waren schick gekleidete Menschen mit fotografieren und fotografiert werden beschäftigt. Eine Hochzeitsgesellschaft. Es dauerte nicht lange und wir wurden auf Deutsch angesprochen. Ja, ja es stimmt schon, wir könnten die Räder durchs Foyer schieben, sagte uns ein Mann, der unsere Unsicherheit bemerkt hatte, ob wir den Mann an der Rezeption auch richtig verstanden hatten. Tiroler Dialekt? Jaja, die meisten sind aus Innsbruck, aber er aus Wattens. Auch aus Linz und Wien seien Leute da. Eine serbisch-österreichische Hochzeit fand an diesem Abend statt. Eigenartig wie klein die Welt immer wieder wird.
Der Mann aus Wattens half mit seiner Zweisprachigkeit bei unserer Anfrage, ob es die Möglichkeit zum Wäsche waschen gäbe. Sicher, wir könnten sie jederzeit bringen. Und was koste es? Nicht, nichts, das geht aufs Hotel. Wo hat man den sowas schon erlebt?! Der Mann an der Rezeption nahm unsere Wäsche, auch die Schlafsäcke, entgegen. Dass wir sie wegen Hundeflöhen waschen wollen, sagten wir nicht extra dazu.
Mitternacht war es und die Musik der Hochzeit klang beschwingt in den sechsten Stock hinauf. Eine Frau sang. Johannes stand nochmals auf und ging hinunter. Serbien war super!

38. Tag, 19. Juli
Kladovo

Gestern in Tekija schliefen wir direkt auf Donauniveau. Heute früh blickten wir aus dem 6. Stock des Hotel Djerdap über die Donau auf die rumänische Stadt Dobreta-Turnu Severin.

Gestern radelten wir an der Staumauer „Djerdap l“ vorbei. Von der Promenade aus war sie auch von Kladovo aus noch zu sehen. Entlang des 150 km langen Rückstau waren wir die letzten fünf Tage geradelt. Unter den unzähligen Starkstrom Leitungen durchzuradeln war gestern ein arges Gefühl. Johannes, er fuhr ohne Helm, sagte, dass es ihm die Haare aufgestellt hat.
Johannes hatte vor Tagen ein löchriges Laiberl entsorgt, Pippilottas Leggins waren durchgewsetzt. Wir fanden gleich gegenüber dem Hotel einen Second Hand Laden. Pippilotta war bald neu gekleidete und auch Johannes fand sich gleich was passendes.


Wir waren in der Stadt unterwegs. Die letzten Vorbereitungen für ein Stadtfest wurden getroffen. Schaukel und Musik scheint nicht mehr genug zu sein. Bin ich froh, dass Pippilotta ganz zufrieden ist, wenn sie selbst Geräusch und Bewegung machen kann. Eis schlecken, Kaffee trinken, schauen, wie die Menschen hier miteinander tun und Jause für die morgige erste Pause einkaufen. Und Autodrom gefahren sind wir auch.

„Luftabone!“ Standl und Musik, Grillerei und jede Menge „Luftabone“ gab es im Sortiment. Beim Frühstück sagte uns ein serbischer Wiener, dass rund 90 Prozent der Menschen, die jetzt im Sommer hier seien, anderswo lebten und arbeiten. In den Wintermonaten sei es hier sehr ruhig. Die Flaniermeile des Festes und die Atmosphäre in der Fußgängerzone vermittelten tatsächlich das Gefühl, dass viele in Urlaubsstimmung sind.

Am Donaustrand waren wir ebenfalls. Im Vergleich zu bisherigen war er hier in Kladovo relativ gepflegt. Immer wieder fielen uns besonders die Dinge auf, die „bei uns“ anderes sind und so nicht funktionieren würden. Dass am Strand jeder so laut wie er will Musik machen kann und man aus verschiedenen Richtungen zwangsbeschallt wird. Dass im Frühstückssaal geraucht werden darf. Dass in der Gastronomie immer sehr viel Personal arbeitet, oft mehr als wir das Gefühl haben, dass gebraucht wird um die anwesenden Gäste gut zu bedienen. Dass Hundekacke nicht wegeputzt wird, auch wenn es am Strand ist, wo Kinder spielen. Dass jeder der so daher kommt, einfach die Pippilotta anfummelt, ihr kommentarlos durch die Haare wuschelt und ihr vielleicht noch eine Süßigkeit zusteckt. Dass (fast) überall Müll liegt und sich keiner drum kümmert, keiner dafür zuständig ist. Dass viele Menschen sich weigern Trinkgeld anzunehmen. Aber sonst: Serbien war super!

39. Tag, 20. Juli
Kladovo – Dusanovac, ca. 42 km (die Huber-Radkarte hat jetzt keine km Angaben mehr zu einzelnen Streckenabschnitt. Hm.)

Waren es fünf oder sechs oder sieben Baustellenabschnitte durch die unsere Route raus aus Kladovo führte? Kilometerlang ging es bergauf, die Sonne brannte vom Himmel, obwohl wir relativ zeitig unterwegs waren, und stinkig war es in der Autoschlange auf das Grün der Baustellenampel zu warten. Bei der zweiten Ampel radelten wir dann bereits links und rechts an den Wartenden (So viele österreichische Kennzeichen!) vorbei. Der Intervall der Ampeln passte sowie nicht zu unserem Tempo und auch ein Baustellenbereich kann ein guter Radweg sein.
In der Ortschaft Velesnika wollten wir Wasser kaufen, der Ort schien groß genug für ein Geschäft. Wir fragten einen Mann, der gerade an einem Auto mit Wiener Kennzeichen stand. Nein, erst im nächsten Dorf, in Grabovica, gäbe es wieder einen Laden. Was wir den bräuchten? Seine Frau kam mit zwei Flaschen Wasser, die wir geschenkt bekamen. Sie ging mit 19 Jahren nach Wien, arbeitete in einem Wiener Magistratskindergarten, er ist für Perlmooser tätig. Früher waren es 100 Kinder, die hier in ihrem Dorf zur Schule gingen, jetzt sind es vier, erzählten die beiden Wiener. Hinter ihnen im Garten schob soeben ein Bagger ein altes Haus weg. Daneben stand ein stattliches Einfamilienhaus. So viel Platz bräuchten sie nicht mehr. Auch wenn die Kinder und Enkelkinder da sind, sei im anderen Haus genug Platz. Den Kaffee auf den wir eingeladen worden wären, lehnten wir dankend ab. Wir würden überhaupt nicht weiter kommen, würden wir jede Einladung annehmen.

In Braza Palanka legten wir eine erste Rast ein. Ich versuchte die Kormorane, die auf einem Schwemmholz saßen, durch das Monokular zu fotografieren. Pippilotta fand einen Strauch mit Kumquart „wie bei der Oma“, und naschte vergnügt ein paar der sehr sauren Früchte.

Danach entschieden wir uns für die Strecke entlang der Donau und nicht auf der Landstraße. Die Strecke war sehr schön und „sehr ungemüt“, sagte Pippi, die sich derzeit bei manchen Worten die letzte Silbe spart. Nur kurze Strecken waren asphaltiert, sonst lag spitzer Bruchstein. Besonders blöd waren die stacheligen Äste der Akazienstauden und die Brombeeräste, die von beiden Seiten in den Weg zu hangen. Langsam kamen wir durch die eng zugewachsene Schotterstraße vorwärts. Dass unsere Reifen diese Strecke ohne Platten überstanden hatten, war erstaunlich. Aufs Pause machen verzichten wir gerne. Nach vielen Tagen ohne Gelsen, gefällt ihnen diese Gegend wieder sehr. Das flache Ufer war mit Schiff und Seegras zugewachsen, quasi ein Gelsen-Paradies – und kam blieben wir stehen,…

Von Stromkilometer 935 bei Kladovo radelten wir heute auf 865 bei Dušanovac runter. Die Donau fließt hier zwischen den Hügeln in sehr großen Mäandern dahin, die Straße verläuft etwas gerader.
Der Rastplatz in Mihajlovac, wir brauchten dringend etwas zu essen, könnte sehr schön sein, wäre nicht der Müll. Der Fischer, der neben uns seine Angel auswarf, scheint daran gewöhnt zu sein, wir nicht. Wir aßen, waren damit beschäftigt Pippilotta davon zu überzeugen, dass nicht alles was am Boden lag interessant sei, und waren so rasch wie möglich wieder weg.
Das Müll-Thema begleitet uns ständig. Da können wir wirklich nur froh sein, dass es in Österreich inzwischen so ein ausgeprägtes Bewusstsein einerseits, und eine dementsprechend flächendeckende Infrastruktur andererseits, gibt.

Dass man bekommt, was man will, ist sowieso im Leben nicht immer gegeben, also versucht man es mit den kleinen Dingen. Ein Kellner im Hotel Djerdap wollte uns par tout für das Kind kein Cockta, der serbische Almudler mit Coca Cola-Farbe, aus dem Kühlschrank geben. Njet, njet, sagte er, das Kind bekäme sofort Halsweh. Wir bestellten dann extra noch eine Zitrineblimo (warm) für das Kind und zwei kalte Cockta „für mich“. Dann bestellte ich Tee. Caj. „Normal?“ Hm. Black Tea. Ja, normal. Caj. An einem Tag bekam ich Schwarzen Tee, am anderen Pfefferminztee. Lustig.
Online hatte ich für heute eine Unterkunft kurz vor Negotin, kurz vor der Staumauer Djerdap II, herausgesucht. So viel gab es in einer für uns passenden Distanz nicht, aber der Platz namens Angelinin Konak sah liebevoll gestalten aus, und es sollte dort Schlaffässer gäben! Das wollte ich ohnehin lange schon Mal machen, in so einer gewölbten Höhle nächtigen. Pippilotta würde es auch gefallen. Endlich kamen wir aus dem Kilometerlangen Gestrüpp raus, endlich sahen wir rechts hinauf das Gelände mit den schwarz-gelben Fässern.

„Njet, Njet“ sagte die Frau. Mit Kind müssten wir ins Appartement. Mit „Beba“ wären die Fässer zu klein. Wir bekämen das Appartement auch zum Preis für ein Schlaffass, aber ein Schlaffass geht mit „Beba“ nicht. „Njet, njet.“ OK. OK. Da half kein Widerrede. Ich hatte zudem einen kleinen Hitzeschaden und musste mich erst Mal hinlegen, egal wo. Johannes und Pippi erkundeten das hübsche und liebevoll gestaltete Gelände, das direkten Zugang zur Donau und Gastbetrieb hatte.

Johannes bestellte das Abendessen. Die Wirtsleute meinten vermutlich, dass es ein Irrtum sei, dass er nur Zuspeisen bestellte und brachten auch Krautwickler. Nein, nicht eine Portion, sondern für drei Leute. Die Radreise war jetzt auch nicht explizit als Fastenkur angelegt gewesen, aber aufgepäppelt werden müssten wir eigentlich auch nicht. Noch dazu blieben ja die Fleischgerichte immer für Johannes und Pippilotta.


Die Nachspeise schwamm zur Kühlung im Donauwasser. Was bekamen wir?

Wir verbrachten einen gemütlichen Abend. Das Bier schmeckte überall gut. Die Limonaden auch. Pippilotta sah eine Wasserschlange und Frösche, wir befreiten eine Eidechse aus einem Wasserpott und fütterten Kaninchen. Und dann waren wir froh über unsere Betten. Im Appartement.

40. Tag, 21.Juli
Dušanovac

Beim Frühstück beschlossen wir eine zweite Nacht zu bleiben. Warum? Weil es sich nach 40 Tagen erstmals sehr anstrengend anfühlte, schon wieder weiter zu radeln. Für mich. Die anderen beiden wären heute nach Bulgarien geradelt. Weil es bei Angelinin Konak ein Platz war, der zum Verweilen einlud und weil die Donau nicht nur beim entlang radeln schön war, sondern auch von der Veranda aus.

Am Nachmittag waren wir ein Stück weiter vorne am Strand von Dušanovac. Zufällig wurde dort der „Danube Day“ gefeiert. Es gab eine Kanu-Regatta, Wett-Paddeln, ein kleines Ausflugsboot, Musik und Maiskolben, Limo und Löwenbräu (Warum wohl Import-Bier?) und einen Fischsuppen-Wettbewerb.

Hätten wir das gewusst, hätten Johannes und Pippilotta ihre Suppenschüsserl mitgebracht. So schauten wir zu, wie gewürzt und gerührt, verkosten und gegessen wurde, und aßen Maiskolben.
Abends gab es Essen bei uns am Platz. Ich sagte extra, dass wir etwas weniger wollten als gestern und keine Suppe, weil es sonst zu viel wäre. Mit Niclas, einem Franzosen, der seit April unterwegs war (Mittelmeerküste bis Griechenland und jetzt quer durch Europa retour), saßen wir am Tisch und die vollen Schüsseln und Teller, Gläser und Tassen waren viele: Schnaps gab es, wenn man wollte, schon vor dem Essen. Grießnockerl-Suppe, Polenta-Schnitten, Gebratene Zucchini, Käse, gebraten und ungebraten, Krautwickler mit Faschiertem, Weißbrot, Kraut-Katottensalat, Tomaten und Gurken, Bratkartoffel und etwas, das ich als Surfleisch bezeichnen würde. Eis und Kekse, Kaffee und Tee wurden zur Nachspeise gebracht. Und ein Eis für Pippi. Und, da lag das Kind geduscht und mit geputzten Zähnen schon schlaftrunken im Bett, da brachte die Frau noch Melone. Klar, wir standen nochmals auf.

Morgen gibt es kein zurück, ähh, kein hier bleiben. Morgen radeln wir nach Bulgarien.

41. Tag, 22. Juli
Dušanovac – Vidin, 22 km mit dem Rad, 30 km mit dem Auto

Es dauerte in der Früh: bis wir gefrühstückt hatten und Vranica uns Alufolie brachte, damit wir für das Kind ausreichend Jause einpacken konnten, bis die Räder startklar waren, bis Pippilotta die Hasen gefüttert hatte, bis Niclas, der Radler aus Frankreich, mit Routeninfos versorgt war, bis Mica unsere Registrierungen von der Polizei brachte, bis ins Gästebuch geschrieben und bezahlt war und bis Pippilotta’s Stirnfransen geschnitten waren.
Dann bekamen wir noch Marmelade geschenkt und Pippi ein Halskettchen. All diejenigen, die immer wieder das Gefühl beschleicht, dass sie zu kurz kommen im Leben, die sollten mal Urlaub in Serbien machen.
Es war bereits fast Mittag als wir in Negotin, der letzten Stadt in Richtung Bulgarien, ankamen. So viele österreichische Kennzeichen! Jeden Tag auf’s neue sind wir erstaunt und fasziniert. Wir sprachen mit einer Familie serbischer Hamburger und einer serbischen Welserin. Wir aßen Eis, tranken „richtigen“ Cafe Latte und kauften Wasser ein. Es war arg heiß. In Negotin wusste keiner wo man bulgarische Lewa gewechselt bekommt und überhaupt hatten wir den Eindruck, dass in Richtung Bulgarien so etwas wie ein Eiserner Vorhang existiert oder überhaupt die Welt in diese Richtung aufhört.
Wir fuhren die ruhigere Hauptroute durchs Hinterland, hinaus aus der Stadt. Bald ging es bergauf und noch mehr bergauf. Die Sonne brannte. Es war kaum Verkehr. Wir trugen feuchte Sonnenhüte, ich schüttete mir Wasser über Kopf und Rücken. Pippilotta wurde eingefeuchtet. Noch vor zwei, drei Wochen hatten wir uns lustig gemacht, darüber, dass es so viele Höhenmeter wie bei einer Alpenüberquerung sein sollten. Inzwischen wissen wir, dass wir sie bis zum Crno More, so Schwarzes Meer aus serbisch, sicher geradelt sein werden. Zwei Radfahrerinnen in neongelber Montur und knallroten Köpfen kamen uns entgegen. „Enjoy!“ riefen sie. Hatte das ein Scherz sein sollen? Britischer Humor?

Unsere Gesichtsfarbe war auch nicht besser als ihre, aber das nasse Gewand half sehr. Ich schüttete mindestens so viel Wasser auf mich drauf wie in mich rein. Johannes und Pippilotta vertrugen die Hitze besser.



Negotin lag bereits weit unten, als es dann endlich wieder bergab ging und wir rasch nach Mokranje kamen. Was für ein gottverlassener Ort. Nur die Infrastruktur für eine Mittagsrast war perfekt: eine Wasserstelle neben einem Tisch mit Sonnendach in einer Wiese. Aber, wer hier lebt, kann nur verzweifeln. SO schien es uns zumindest. Ich glaube, dass mit Abstand meistgekaufte Produkt im kleinen Laden war Bier. Wir jedenfalls gaben nach sechzehn Tagen in Serbien unsere Dinar für Eis aus. Ok, Johannes für ein Bier.
Immer wieder sahen wir überproportional große Bauvorhaben, die seit längerem zum Stillstand gekommen waren. Ob das nochmal etwas Belebtes werden wird? (Man beachte die monumentale Fassadenordnung, die korinthischen Kapitelle sowie das zurück gesetzte Mittelrisalith, das wiederum von zwei Erkern flankiert wird.)

Abgrenzungen unterschiedlichster Art fielen mir die ganze Route über auf. Friedhöfe hingegen, die bei uns immer gut geschützt, durch Mauern klar definierten sind, sieht man hier immer wieder einfach ins offene Feld hin oder zur Straße auslaufen.


Endlich! Wir näherten uns der bulgarische Grenze. Und stellen fest, dass die vermeintliche Transitroute von Serbien nach Bulgarien so gut wie nicht befahren ist! Was ist hier los? Oder, warum ist hier nichts los? Kurz war unklar, wer für die Streckenwahl über das bergige Hinterland und die damit verbundenen Strapazen verantwortlich zu machen war. Aber was soll’s, wir waren an der Grenze.
Nach 18 Tagen, 588 Donaukilometer und rund 670 Radwegkilometer verliesen wir Serbien. Der Grenzbeamte wollte die von uns gesammelten Registrier-Papiere nicht sehen und fragt nur, ob es dem Kind nicht zu heiß sei. Nicht einmal einen Stempel, wie bei der Einreise, gab es in den Pass.
Wir waren in Bulgarien! Wir waren wieder in der EU. Wir hatten eine Stunde Zeitverschiebung. Und, noch irgendeine andere Art von Verschiebung, eine Lebensgrundhaltungsverschiebung, oder wie man das nennen soll.


Bregovo hieß der Grenzort, den Johannes eine Viertelstunde später als „Drecksnest“ einstufte. So eine Zuschreibung von Johannes, das kommt selten vor. Zähne fletschende Köter begrüßten uns, mit geschultertem Maschinengewehr wachte ein mehrere Meter hoher Soldat des Kommunismus über einen großen Platz, an dem die wenigen Gebäude leer zu stehen schienen, ein paar Halbwüchsige saßen bei ihrer Fahrrädern unter ein paar Bäumen, zwei Männer, die wir fragten, zuckten die Achseln. Campingplatz gäbe es keinen, Hotel, Privatunterkunft, Pension auch nicht. Der Bankomat nahm meine Karte nicht. Das hatten wir schon. In Ungarn. Die von Johannes nahm er auch nicht. Das hatten wir noch nicht. Die Männer zeigten uns den zweiten Bankomat des Ortes. Dort traf Johannes auf unseren Helden des Abends: Iliev. Iliev, der uns unaufgeregt und kompetent half.
Iliev sprach perfekt deutsch und arbeitet als Steuermann für Tankschiffe, die zwischen deutschen und niederländischen Häfen verkehren. Einen Monat arbeitet er, einen ist er zu Hause in Bulgarien, in Vidin. Wieso er dann in Bregovo sei? Weil sein Vater hier sein Haus hat. Ach so, er ist auf Besuch bei seinem Vater. Nein, der ist nicht da. Er ist wie er Steuermann. Sie wechseln sich ab. Demnächst wird er das Schiffspatent machen. Dann wird er Kapitän sein. Für seine Familie, Frau und kleiner Sohn, habe er ein Appartement im Vidin gekauft. Nein, weggehen wollen sie nicht. Sicher, als EU-Bürger könnten sie. Aber so ist er nicht, sagte er. Es könne nicht nur um die Arbeit und ums Geld gehen.
Pippilotta erkundete den Spielplatz. Johannes und Iliev organisierten. Iliev telefonierte. Wir wartetetn. Es kamen zwei Taxis. Wir verstauten Räder und Equipment in zwei kleinen PKWs. Wir fuhren die 30 km nach Vidin und wurden im Hotel Tangra bereits erwartet. Iliev, besten Dank!


Weiter gehts in Bulgarien!