Österreich

1. Tag, 12. Juni
Urfahr – Au an der Donau, ca. 34 km

Am Donauradweg, so wie man ihn landläufig kennt: asphaltiert, unmittelbar in Sichtweite des Flusses, flach und gut ausgeschildert, starteten wir heute Mittag unsere Reise von Linz/Urfahr beim Ars Electronica Center.

Dass unsere erste Tagesetappe von sommerlicher Schwüle und kontinuierlichem Gegenwind geprägt war, sieht man vor allem daran, dass wir uns bereits für den schicken Campingplatz in Au an der Donau entschieden haben. In den letzten Tagen, mit jedem Mal erzählen, wurden für mich in meinem Kopf die Gelsenschwärme lästiger, die Steigungen stärker, das Sitzfleisch wunder und die Infrastruktur dürftiger. Wie gut, dass es jetzt los geht und die Herausforderungen bewältigbar werden!

2. Tag, 13. Juni
Au an der Donau – Pöchlarn, ca. 63 km



Länger als erwartet saßen wir heute auf unseren Rädern: Die Fähre mit der wir vom rechten Ufer zum Campingplatz in Marbach übersetzt wollten, verkehrt seit rund zwanzig Jahren nicht mehr. Auf unserer Huber-Radkarte deutlich jüngeren Datums ist sie dennoch verzeichnet. Beim Naturfreunde-Haus in Pöchlarn haben wir dann erschöpft und erleichtert unser Zelt aufschlagen können. An der Tür stand eine Telefonnummer unter der wir anriefen. Ein Herr kam, erklärte uns die Platznutzung, kassierte und wir hatten Haus und Areal für uns allein.
Von km 2107 bis 2044 radelten wir. Vermutlich waren es mit all dem Gekurve und Zickizacki des Radweges deutlich mehr als 63 km.
Dass rund 300 000 Menschen jährlich von Passau bis Wien radeln, war gestern wie heute verständlich: Man radelt auf so gut wie nur asphaltierten Radwegen, durch pitoreske Kulturlandschaft mit der Donau fast kontinuierlich im Blickfeld. Wir wissen: So bequem wird es nicht immer sein.

3. Tag, 14. Juni
Pöchlarn – Rossatz, ca. 37 km

Mit einem Packfehler starteten wir in den Tag: Wir waren bereits ein Stück geradelt als keiner von uns wußte wo sich die Radkarte befindet. (Andrea glaubte, Johannes wäre dafür zuständig gewesen.) Aber noch war alles perfekt ausgeschildert und wir fanden unseren Weg auch ohne die Karte. Überhaupt war wieder ein Bilderbuchtag an dem die Donauradtouristik Österreich ihr Fotos hätte machen können!

Der zweite Fehler: Bei der Mittagsrast bemerkten wir, dass das Geschirr mit der Pasta und der Mozzarella noch in Pöchlarn im Kühlschrank standen. (Johannes glaubte, Andrea wäre dafür zuständig gewesen.)

In Rossatz campten wir weder wild oder privat. Der Platz war so voll, dass wir auf der Reservewiese einquartiert wurden. Zwei Zelte kamen noch hinzu: eine Kanadische Familie mit Zion, einem sechs Jahre alten Burschen, seinen Eltern und Großeltern. Die fünf haben 110 Tage Zeit, waren in Amsterdam gestartet und wollen jetzt so weit sie kommen in Richtung Schwarzes Meer radeln.

Sehr fein war es in Rossatz. Dass der Badeplatz aufgrund des aktuellen Donauhochwassers überschwemmt war, störte uns nicht weiter. Ganz andere Fragen beschäftigten uns: Was passiert mit kontinuierlich überbelasteter Gesäßmuskulatur? Bekommt man eine Art Hornhaut? Sitzschwielen wie ein Pavian? Oder sterben an diesen Stellen die Nerven ab?

4. Tag, 15. Juni
Rossatz – Tulln, ca. 54 km

Wetterbericht, nachträglich: Hochsommerliche Schwüle gepaart mit leichtem aber kontinuierlichem Ostwind prägten den gesamten Tag.
Die Strecke, rund 54 km, radelten wir auf der weniger frequentierten, rechten Donauseite und passierten gegenüber von Krems die km 2000 Markierung. Jeder Donaukilometer ist für die Schifffahrt mit einem großen Schild gekennzeichnet. Und die Donau wird als einziger Fluss weltweit von der Mündung zur Quelle gemessen.

Heute waren es nicht mehr die hübschen, kleinteiligen und gepflegten, gelegentlich geradezu kitschigen, niederösterreichischen Touristengebiete durch die wir kamen, sondern vielmehr dieses bizarre Gemenge aus Au und Industrie. Unter anderem führte der Eurovelo 6 am nicht fertig gestellten AKW Zwentendorf vorbei.

Diese Augebiete waren mir irgendwie, wie soll ich sagen, irgendwie verdächtig. Das, was wie unberührte Natur daher kam, wie ein intaktes Ökosystem, schien eher das zu sein, was übrig blieb zwischen den Wasserkraftwerken und den Hochwasserschutzanlagen, den Autobahnzubringern und den Flächen der Agrarindustrie, den Industriegebieten, den städtischen Speckgürteln und dem Donauradweg. Über allem hinweg war immer wieder das Sirrten der Hochspannungsleitungen zu hören.

Dennoch freuten wir uns über die Stockenten und die Schwäne, die nur für sich sind, anders als über die, die an der Gmundener Seepromenade oder sonst wo um Futter betteln. Nachdem wir am Vormittag flott voran kamen und bereits am frühen Nachmittag am Campingplatz in Tulln eintrafen, war ausgiebig Zeit für das Aubad.

5. Tag, 16. Juni
Tulln – Wien, ca. 41 km

Heute hatten wir klassisches Sonntagsprogramm. In der Früh bekamen wir Familienbesuch von Rosa und Andrea am Campingplatz in Tulln und es gibt noch ein gemeinsames Eis im Aubad und einen letzten Drücker für lange Zeit.

Auch das Wetter war uns wohlgesonnen. Zum ersten Mal hatten wir kontinuierlich hilfreichen Rückenwind und segelten am Donaudamm nur so dahin.

Einen feinen Zwischenstopp machten wir bei einer Freundin im Strombad Kritzendorf. Das ganze Gebiet von Tulln bis nach Wien schien eine bunte Kleingartenanlage zu sein und es verbreitete sommerliches Wohlgefühl zwischen den vielfältigen schmucken Plätzen hindurch zu radeln. Dann verließen wir die Donau, nahmen den Radweg entlang des Donaukanals und tauchten in den urbanen Radverkehr ein.

Bei Freunden konnten wir übernachten, freuten uns über einen angenehmen Austausch, Moussaka zum gemeinsamen Abendessen, ein vorbereitetes Bett und die frische Wäsche aus der Waschmaschine.

6. Tag, 17. Juni
Wien – Petronell-Carnuntum, ca. 44 km

Flott kamen wir aus Wien hinaus und machten eine eine Rast bei Hermi’s Radlertreff am Radlertreffweg in Schönau an der Donau.

Ein Tiersuchbild. Östlich raus aus Wien ging es entlang des Nationalpark Donauauen. Seit Tagen wünschte ich mir, dass sich von all den besonderen Tieren, die in österreichischen Aulandschaften leben, welche zeigen: ein Biber oder eine Bisamratte, ein Eisvogel oder eine Zauneidechse, ein Fischotter oder eine Würfelnatter. Hm. Leider nix. Ein Naturschutzgebiet ist eben kein Zoo. Gelegentlich lies sich ein Reiher, wie auf dem Foto, blicken.
In Orth an der Donau besuchten wir das Nationalpark-Zentrum. Endlich: Gehege mit Europäischen Sumpfschildkröten in allen Größen, einem geschäftiges Ziesel, dass sich der Platz mit Zwergschafen teilte, eine rastende Ringelnatter und jede Menge Fische, die vom Unterwasserraum aus beobachtet werden konnten.
Bei Orth setzten wir mit der Fähre nach Haslau-Maria Ellend über.

Würden wir nicht empfehlen. Aus unbekannten Gründen wurden wir kontinuierlich umgeleitet, fuhren oder schoben auf Schotterpisten mit zum Teil arg großem Bruchstein. Johannes hatte es mit dem Anhänger heute das erste Mal richtig schwer. Die Trasse führte durch Windparks und Agrarindustrie. Das einzig wirklich originelle entlang der Strecke war die Dorfplatzgestaltung mit Pool in Scharndorf.

Endlich waren wir am Zeltplatz in Petronell-Carnuntum. Zur täglichen Sonnenschutzcreme, kam nach dem Duschen das Sportgel mit japanischem Minzöl und unverzichtbar, der Gelsenspray, der zur Freude von Leonie „Anti Brumm“ heißt. Nach dem leckeren Linseneintopf verschanzte ich mich mit Kind im Zelt und beobachtete mit gemischten Gefühlen die zig Gelsen, die außen aus am Netz lauern. Wie würden wir das mit dem Zähneputzen heute machen? Als Johannes von seiner Erkundungstour in den Ort mit einer Pizza im Karton zurück kam, freuten wir uns alle drei. Ausnahmsweise aßen wir „im Bett“.

Weiter gehts in der Slowakei!