AnPrangern

Zum diesjährigen Tag des Denkmals, 29.September, 2013, eine österreichweite Veranstaltung des Bundesdenkmalamtes, präsentierten wir unser Projekt AnPrangern am Freistädter Hauptplatz. In den frühen Morgenstunden bauen wir auf: ein steinerner Pranger auf einem blechverkleideten Sockel mit Rädern – also bei Bedarf auch als Mobiler Pranger nutzbar – bildet die zentrale Skulptur. Der Stein, samt Sockel rund zwei Meter hoch, wird durch zwei Eisenschellen und eine Kette mit Stange und Schellen zum Pranger. Rund um diesen Stein des Anstoßes positionieren wir fünfzig Fragen zum Themenfeld Schuld, Scham und Scheinheiligkeit oder, anders formuliert, Fragen zum Thema des Wertens und Urteilens über sich selbst und andere. Auf Holzstangen, in Steinen steckend, sind diese Fragen als Parcours so verteilt aufgestellt, dass es kaum ein vorbeikommen gab, wenn man von der Pfarrgasse auf den Hauptlatz gelangt.
„Muss ich?“ oder „Hilft Leichtsinn gegen Schwermut?“ sind die von uns positionierten Einstiegsfragen, die auf man zuerst stößt. Lustvoll lustig sind unsere Überlegungen beim Aufstellen und Positionieren der Fragen. Klar die Frage „Habe ich die Richtige Wahl getroffen?“ hat an diesem Tag nur einen idealen Platz: nahe am Eingang zum Freistädter Rathaus, in dem ein Wahllokal eingerichtet ist. Dann gibt es Fragen, die es geradezu einfordern möglichst kirchennah positioniert zu werden „Quäle ich mich unnötig?“ oder „Wie viele Kinder sind durch meinen Willen nicht zur Welt gekommen?“ oder „Soll ich mich selbstbefriedigen?“ Die Kirchgeher, aus der Sonntagsmesse kommend, zwangsläufig den ausgesteckten Fragewald passierende lesen eine, zwei Fragen, und gehen weiter. Kopfschütteln von manchen. Keine sichtbare Reaktion von vielen. Ein einziger sagt: „Jetzt erklären sie mir mal was das denn soll.“
Ein Herr mit Dackel, ein Herr Doktor, wie uns im Nachhinein eine Frau sagte, hat bei der Wahlkommission gleich im Gebäude nebenan, seinen Unmut über unseren Blätterwald kundgetan. Da kam die Abordnung der Wahlkommission, von jeder Fraktion ein Herr, um zu prüfen, ob unsere Installation gegen die Nationalrats-Wahlordnung aus dem Jahre 1992 verstößt. Paragraph § 58, Absatz 1: „Im Gebäude des Wahllokals und in einem von der Gemeindewahlbehörde, in Wien vom Magistrat, zu bestimmenden Umkreis (Verbotszone) ist am Wahltag jede Art der Wahlwerbung, insbesondere auch durch Ansprachen an die Wähler, durch Anschlag oder Verteilen von Wahlaufrufen oder von Kandidatenlisten, ferner jede Ansammlung sowie das Tragen von Waffen jeder Art verboten.“ Die vier Herren meinen, sie sehen nichts Verdächtiges und marschieren wieder ab. Es ist, falls es ihn gibt, ein Zufall, dass der Tag des Denkmals heuer mit der Nationalratswahl zusammenfällt. Oft gestellt wurde die Frage nach dem Stein. Woher er den sei, dieser Pranger. Aha, gar nicht ein echter, alter, sondern nachgebaut. Aja, früher ein Befestigungsstein für irgendeine Absperrvorrichtung, irgendwo auf einem landwirtschaftlichen Hof. Aja, sind ja Spannringe sind von Holzfässern. Schaut richtig echt aus.“ Die Nachbarin meint „Putzen hätten man ihn schon können. Mit dem Sandstrahler, dann würde er schon mehr gleichschauen, der Stein. Ein Bekannter von ihnen hätte das sicher machen können. Der macht das professionell.“
Frau Breitwiesers Rückmeldung, sie arbeitet im OÖ. Landeskonservatorat, also beim Veranstalter des Tag des Denkmals, freute uns. Dass so ein kritisches Projekt, mit so viel Engagement, wie sie sagte, beim Tag des Denkmals präsentiert werden, das findet sie gut.
Von: Ulrike Breitwieser BDA LK Oberösterreich / Gesendet: Montag, 30. September 2013 / Betreff: AnPrangern, Freistadt / Sehr geehrte Frau Fröhlich, sehr geehrter Herr Schwarz, vielen Dank für die Fotos und besonders für Ihr Engagement am Tag des Denkmals mit Ihrem Projekt Anprangern mitzuwirken. Mit freundlichen Grüßen, Ulrike Breitwieser, Landeskonservatorat f. OÖ.
Tendenziell waren es die Jüngeren, die an den Fragen auch Vergnügen hatten, sich zwar Betroffen fühlten, aber auch schmunzeln konnten. „Von welcher Glaubensrichtung seid den ihr?“ wurden wir gefragt. “Ja, da kann man sich schon selbst an der Nase nehmen.“ so ein älterer Herr, mehr zu sich selbst als zu uns. „Da haben sie dann die schlimmen Menschen angehängt.“ erklärt eine gutbürgerlich gekleidete Dame ihren beiden Enkelsöhnen, Volksschulalter, Seitenscheitel, Sonntagshemd und dunkelblaue Steppjacke. Auszug aus dem Artikel in den OÖNachrichten, 30. September 2013: “Denkwürdiges und Denkanstöße am „Tag des Denkmals“ in Freistadt: “…Dass die Aktion „AnPrangern“ ausgerechnet mit dem Wahltag zusammenfiel, ist natürlich Zufall, versichern die Initiatoren Andrea Fröhlich aus Freistadt und Johannes Schwarz aus Wartberg. Wenn euch thematisch ein perfekter; man denke nur an die verbalen Durchfälle der vergangenen Woche. Die Prangersäulen sind zwar längst gesellschaftliche Relikte der Vergangenheit: „Angeprangert wird aber immer noch. Nur das Medium und die Methoden haben sich geändert,“ erklärt Schwarz diesen Denkanstoß. Heute heißen sie Facebook, Twitter und Co. Wie sehr oder wie wenig das tatsächlich zutrifft, diese Frage darf sich jeder selbst stellen.“

Bildeindrücke der Installation AnPrangern, am Freistädter Hauptplatz, 29. Sept. 2013

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Dank an die Männer des Bauhof Freistadt, die mit großem Geschick und Präzision das 350Kilo-Teil ab- und aufgeladen haben!

AnPrangern
Ein interaktives Projekt zum Thema Schuld, Scham und Scheinheiligkeit

Wie häufig Menschen Menschen anklagen, erfahren wir tagtäglich um uns herum und in den Medien. Wie schnell sind wir selbst mit Urteilen? Wie leicht ist jemand für uns ein Depp, eine Schmarotzerin, ein Kapitalist oder eine Besserwisserin? Wie oft maßen wir uns an, über Richtig und Falsch, Gut und Böse, Normal und Abnormal, Moralisch und Unmoralisch zu urteilen?
Nicht nur die Anderen eigenen sich hervorragend als Sündenböcke und Feindbilder. „Steine“ kann man auch gegen sich selbst werfen. Wie oft verhindern wir, dass wir unseren Fähigkeiten und kreativen Impulsen nachgehen und uns selbst ermächtigen?
Ein DenkFrageBogens versammelt unterschiedliche Anregungen zum Thema. Der DenkFrageBogen setzt sich aus Fragen von Max Frisch „Fragebögen“, Fischli und Weiss „Findet mich das Glück“ und unseren eigenen zusammen.

Mit dem Projekt experimentieren wir mit der Kultur des Anprangerns. Ob in der Rolle des Richters oder des Verurteilten – Bühne frei für Experimente!

Als denkmalgeschützte Relikte stehen steinerne Pranger bis heute in vielen Orten. Ab dem 13. Jahrhundert verbreitete sich die Methode des Anprangerns zur Vollstreckung von Ehrenstrafen. Die Strafe bestand vor allem in der öffentlichen Schande, welche der Verurteilte zu erdulden hatte und die vielfach ein „normales“ Weiterleben in der Gemeinschaft stark erschwerte.
Die Praxis des Anprangerns hat sich nur in ihren Methoden, aber nicht strukturell verändert und gehört keineswegs der Vergangenheit an. Gerade die Möglichkeiten des medialen Anprangerns werden mehr denn je betrieben.

 

Mögen Sie Einzäunungen? (Max Frisch)

Ist es gefährlich ständig von einem anderen Leben zu träumen? (Fischli+Weiss)
Wenn Sie alles Lachen abziehen, das auf Kosten von Dritten geht: finden Sie, dass Sie oft Humor haben? (Max Frisch)

Gibt es heute einen ähnlich großen Irrtum wie die Vorstellen der Welt als Platte? (Fischli+Weiss)
Glauben Sie, die Welt wäre eine bessere, wenn mehr Menschen denken und handeln würden wie Sie? (sf-projects)

Haben Sie jemals Steuern hinterzogen? a) indem Sie Zigaretten oder andere Waren durch den Zoll geschmuggelt haben; b) indem Sie Handwerker in Pfusch beschäftigen?; c) indem Sie sich kleine Beträge für Dienstleistungen bar auszahlen lassen?; d) indem Sie ein geheimes Konto haben? (sf-projects)

Hassen Sie leichter ein Kollektiv oder eine bestimmte Person und hassen Sie lieber allein oder in einem Kollektiv? (Max Frisch)

Prangern Sie Menschen an, die a) reicher, b)erfolgreicher, c) schöner, d) beliebter, sind als Sie? (sf-projects)

„Soll ich nachts mit meinem Auto mit abgeschnittenem Auspuff durch die Siedlung fahren?“ (sf-projects)

Wäre mein Leben auf einer Südseeinsel mit schönen Frauen und süßen Früchten weniger gefährlich?