Textportrait: K. Michael Aumayr

Eine Nische in der Provinz

Zum Frühstück sind wir eingeladen und das beginnt mit einer Runde ums Haus und durch den Garten: Vier Portionen essbare Pflanzen, Blätter und Blüten sammeln wir: Girsch und Schnittlauch, Kapuzinerkresse und Birkenblätter,  Ribiselstaudenblätter und Spitzwegerich, Löwenzahnblätter und Gundelrebe und noch einiges mehr. Dass kaum jemand weiß, was man alles essen kann, erzählt Klaus Michael Aumayr. Ihn und Rosemarie besuchen wir auf seine Hof zwischen St. Owald und Lasberg. Die frischen Kraftbündel werden gewaschen, fein geschnittenen und jeder bekommt dazu eine geriebene Karotte mit Leinöl oder Leindotteröl. Die Kräutern und Wildkräutern werden mit Vollkornbrot und Frischkäse gegessen. Es schmeckt kräftigend und vielfältig. Überzüchtete industrielle Pflanzen haben für die beiden nicht nur wenig Geschmack, sondern auch keine Lebens- und Widerstandskräfte mehr. Ihrer Lebensphilosophie entspricht es, möglichst viel von dem zu verwenden, was rund um das Haus von selbst wächst. Dabei sollen die Pflanzen nicht komplett abgeerntet werden, sondern es wird, wenn möglich, immer nur so viel genommen, dass dabei die Pflanzen nicht zu Schaden kommen.

Im Grunde sind wir schon technikfeindlich, sagt Michael. Es kommt daher, dass sie den Eindruck haben, dass die Menschheit immer abhängiger wird von verschiedenen Technologien, von technischen Geräten und zum Beispiel auch von künstlich produziertem Saatgut, erzählt er. Und zur zunehmenden Abhängigkeit von technischen Gerätschaften kommt der Umstand, dass Technik immer auch einen hohen Preis hat, im Großen wie im Kleinen: „Wenn man sich anschaut, wie ein Harvester den Waldboden und Bäume, die gar nicht gefällt werden, hinterlässt, dann tut einem das richtig weh…“ Für sich selbst hat er entschieden, so wenig technische Hilfsgeräte wie möglich zu verwenden. In der kleinen Landwirtschaft arbeiten sie mit einem Motormäher, sonst haben sie dafür keine weiteren motorbetriebenen Geräte. Das Ziel der beiden am Platz ist es so wenig Ressourcen wie möglich zu verbrauchen. Den ungleichen Ressourcenverbrauch prangert Michael allgemein an: „Wir westlichen Menschen leben auf Kosten vieler anderer.“ sagt er. Viele Beispiele fallen ihm ein.

Geld ist für den Herrn in maigrüner Latzhose und jugendlichem Antlitz, das größte Übel der Welt: „Alles Übel der Welt geschieht wegen Geld und der Gier nach mehr Geld: Ausbeutung von Menschen, Ausbeutung von Umwelt, Kriege wegen Öl, Kriege wegen Wasser, usw.“ Er ist überzeugt davon, dass eine Welt auch ohne Geld prima funktionieren würde. Wenn jeder seine Talente einbringen würde, würden alle zufriedener sein und alle würden ausreichend haben. Menschen machen die Dinge aus sich heraus, ohne Geld, viel lieber. Für Michael ist es gegenwärtig so, dass wir Menschen, wenn wir so weitermachen wie in den letzten Jahrzehnten, sehenden Auges alle unsere Lebensgrundlage auf diesem Planeten zerstören. Das ist für ihn Grund genug, etwas zurück zu treten und genauer zu überlegen, was man denn zu einem geglückten Leben wirklich braucht. Aber, so führt er weiter aus, der Mensch sei ein Gewohnheitstier und erst wenn ihm das Wasser bis zum Hals stehe, ändern er seine Gewohnheiten und Handlungsweisen. Er zitiert den eingängigen Spruch der Cree: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“ Wir leben nicht vom Computer, auch nicht von anderen Technologien sondern von sauberem Wasser, von sauberer Luft und gesunden Lebensmittel, die den Körper nicht schädigen und schwächen.

Für Michael ist klar, in seinem Lebensalltag kann man immer selbst etwas ändern, vor allem mit seinem eigenen Konsumverhalten und seinen Bedürfnissen, die für ihn oft künstlich von der Marktwirtschaft gemacht sind.

In der Lebensweise von Michael und Rosemarie fließen unterschiedliche Denkansätze ein: wesentlich ist ihm die Anthroposophie von Rudolf Steiner, genauso aber auch der Buddhismus und wir werden gefragt, ob wir die Anastasia-Bücher kennen. Weder Flora noch ich sind mit dieser Literatur vertraut.

Ursprünglich sind Flora und ich nicht wegen der Ernährungsgewohnheiten auf den Hof gekommen, sondern wegen der Hängebauchschweine, an deren Zuhause ich vor rund einem Jahr das erste Mal vorbei kam, als ich von Steinböckhof auf den Braunberg ging. Ich war angetan von den Tieren und ihrem neugierigen Bezug zum Menschen und den gestalteten Platz, der nicht einem herkömmlichen Bauernhauses unserer Gegend entspricht. Jedem, der diesen Wanderweg nimmt, ist schnell klar, dass es auf diesem Platz nicht um kommerzielle Landwirtschaft und Nutztierhaltung geht.

2008 zogen die beiden aus der Ennser-Gegend in ein kleines Sacherl zwischen Lasberg und St. Oswald. Seither haben sie den Platz ganz nach ihrem Sinne adaptiert und gestaltet: Der Auslauf für die Schweine und die Ziegen wurde angelegt und der Stall adaptiert. Für die Energieversorgung wurden  Solarpanelle und eine Fotovoltaik-Anlage installiert. Unweit des Hauses ist ein Baumkreis gepflanzt und die Fassade sowie das nähere Umfeld des Hauses wird von Wesen anderer Welten, von Elfen, Feen und Kobolde unterschiedlichster Spezies, bevölkert. Zumindest im Verständnis der meisten Mühlviertler, davon gehe ich aus, gehören diese Wesen nicht zum allgemeinen Weltverständnis und so mancher wird verständnislos den Kopf schütteln. Der buddhistische Segenspruch „Mögen alle Wesen glücklich sein“ ist auf die Hauswand gemalt.

Wir stehen gerade bei den Schweinen als eine Frau in High-Tech Sportkleidung den Wanderweg entlang kommt: „Immer schöner wird es bei euch! Ich bin hier immer wieder unterwegs und habe mitbekommen, wir ihr mit den Jahren euer Paradies gestaltet!“ Sie wünscht noch einen guten Tag und zieht weiter ihres Weges.

Die Tiere so artgerecht wie möglich leben zu lassen, das ist Anliegen von Michael und Rosemarie. Die Hängebauchschweine stammen aus Tierheimen und von der Tierrettung. Eines der Tiere hat in einer Wohnung bei einer kranken Frau gelebt und ist den Bezug zu Menschen so ganz intensiv gewöhnt, sucht ihn und braucht ihn auch. Sie haben sich gerade deswegen für Schweine entschieden, weil sie in der Nahrungsmittelproduktion besonders unwürdig behandelt werden, so wird uns erzählt. Heutzutage weiß auch die Wissenschaft, dass Schweine sehr intelligent sind. Aber die Intelligenz ist vor allem auf Nahrungsmittelbeschaffung und Fressen hin ausgerichtet. „Schweine sind fürs Fressen geboren.“ sagt Michael lachend und erzählt wie flott und geschickt die Tiere werden, wenn es darum geht, an Leckereien wie Äpfel und frisches Grünzeug ran zu kommen. Der Umgang mit Tieren ist für mich einfach schön, sagt er.

Michael fragt uns, ob wir an Reinkarnation glauben. Er geht davon aus, dass es über ein Leben hinweg eine Weiterentwicklung und Aufgaben gibt. Er arbeitet nicht nur mit den Pflanzen und den anderen Tieren. Er kennt sich auch mit Numerologie und Astrologie aus. Alles Wissensgebiete, denen von Seiten der Naturwissenschaften jegliche Berechtigung abgesprochen wird. Er lädt uns zu einem Einblick in die Welt dieses Wissens ein und erzählt, wie die Planetenkonstellation zum Zeitpunkt der Geburt eines Menschen, sich auswirken kann.

Fasziniert davon, wie unterschiedlich Lebenskonzepte sein können, verlassen wir diese Oase zwischen kommerziell bewirtschafteten Flächen und freuen uns darüber, in einem Land zu leben, in dem sich Menschen ihre eigenen Nischen und Wichtigkeiten suchen können. Und ganz allgemein und überhaupt wünschen wir uns, dass mehr Vielfalt als Einfalt gedeihen möge.