Textprortrait zur künstlerischen Arbeit von Prof. Herbert Wagner
Mein Arbeiten ist immer abhängig vom Wetter, von wechselnden Temperaturen, von Niederschlag und Wind, von Lichtveränderungen und Steckmücken.“ so Herbert Wagner. „Das Malen nach der Natur erfordert viel Disziplin. Die gegebene Proportionalität, der man gerecht werden will, die Luftperspektive, die den Bildraum aufspannen soll, die flüchtigen Lichtveränderungen, die Stimmung, die man der Natur abringen will, all das erfordert konzentriertes Arbeiten.“ schildert er. „Es geht mir darum, etwas gerecht zu werden, das in mir selbst, aber auch außerhalb von mir liegt. Das erfordert Selbstdisziplin, das erfordert immer wieder ein genaues Hinschauen, um nichts ins Klischeehafte, ins Schablonenhafte abzugleiten.“
Herbert Wagner erzählt, dass es immer wieder Motive gibt, die ihn an seine Jugend erinnern. „Als Bub bin ich in einer bäuerlich geprägten Landschaft aufgewachsen, Wälder und Wiesen, Felder und Bäche, die Natur mit wenigen Eingriffen, das sind die Orte, die ich auch jetzt noch suche.“, sagt der im Jänner 1931 im südlichen Burgenland geborene Herbert Wagner. Vor uns lehnt ein Ölgemälde eines Hohlweges. Durch locker stehende Laubbäume fällt warmes Sonnenlicht. Die unscheinbaren Motive, in denen auf subtiler Weise die Spuren der Menschen sichtbar sind, ziehen ihn oft an. „Für ein Gemälde braucht es viele Entscheidungen: Was will man betonen, was soll in den Hintergrund treten? Wie die Kontraste übersteigern, damit das Bild das Empfinden des durchflutenden Sonnenlichts nacherleben lässt?“ Die Schneerose auf dem Gemälde vor uns, das an einer Staffelei lehnt, wuchs in seinem Garten. Die Landschaft dahinter ist die des Thurytals. Nie würde man, im Betrachten des Bildes, auf die Idee kommen, dass das Gemälde aus Natur-Versatzstücken komponiert wurde, so glaubhaft wirkt das Szenario.
Das Figurale hat für Herbert Wagner nie Priorität gehabet. Auf Auftrag hat er im Lauf seines Lebens zwar einige Porträts geschaffen, aber die vielfältigen Erscheinungsformen der Natur waren es, die ihn immer wieder anzogen. Viele Motive fand er Freistadt und im Mühlviertel, ebenso aber auch auf Reisen. Überall entstanden, je nach Zeit und Witterung, Grafiken und Gemälde. Während die Mitreisenden Stadtführung machten, sich Tulpenfelder anschauen gingen oder Mittag aßen, streifte er durch die Landschaft und die Straßen um etwas davon einzufangen. „Keine Reise würde mich zufrieden stellen, wenn ich meine Eindrücke nicht in einer Skizze, in einem Aquarell festhalten und mit nach Hause nehmen würde.“
Wagner erzählt, dass es ihm Gewohnheit und Bedürfnis ist, jeden Tag zu zeichnen oder zu malen. „Andere Menschen joggen täglich und Musiker üben jeden Tag. Zu meinem Alltag gehört, mich in ein Motiv zu vertiefen, es zu gestalten und seiner habhaft zu werden,“ beschreibt er „und wenn es Tage gibt, an denen ich gar nicht draußen arbeiten kann, dann befasse ich mich mit verschiedenen Fundstücken aus der Natur.“ Herbert Wagner betont, wie wichtig es ihm ist, sich selbst und seinem Anspruch gerecht zu werden. Ich, Andrea, höre ihm zu und es kommt mir ein Vers von Theodore Fontane in den Sinn „Es kann die Ehre dieser Welt dir keine Ehre geben, was dich in Wahrheit hebt und hält, muss in dir selber leben.“ Wagner weiter: „Man muss sich immer wieder etwas Neues zutrauen, sich auf den Prüfstand stellen. Man sollte offen bleiben für einen neuen Weg, womit ich nicht meine, dass es ein komplett anderer sein muss. Man kann den gewohnten Weg mit neuen Gedanken gehen.“ erläutert Herbert Wagner. „Dass ich bei zeitgenössischen Kritikern ankomme, strebe ich nicht an, das ist nicht meine Sorge. Ich würde genieren, wenn es nicht mein Antrieb wäre, vor allem dem eigenen Anspruch gerecht zu werden.“ so Herbert Wagner, das zweite Glas Blauburger schwenkend. „Wenn mir etwas nicht gelingt, werde ich missmutig und gereizt, möchte ich’s verwerfen. Man hadert mit sich, soll man es bleiben lassen oder das Misslungene doch nochmals überarbeiten.“
Für dieses Jahr, sein eben begonnenes 86. Lebensjahr, hat sich Herbert Wagner vorgenommen, lockerer und kompromissloser zu malen. „Das gärt schon seit Jahren.“ merkt er an. Wagner spricht von Bildern, in denen nicht alles bis ins Letzte ausexerziert sondern schwebender ist. Der Kopf des Betrachters soll gefordert sein, sodass dieser sein eigenes Erleben entwickeln kann. „Das zeitlos Gültige möchte ich im Ausdruck finden. Und das ist vielleicht in einer gewissen Reduktion zu erreichen, eine Beschränkung auf das Wesentliche in Form und Farbe.“ sinniert Wagner vor sich hin, für sich selbst, für seine Frau und für mich. „Zum kleinsten gemeinsamen Nenner, der stärker zum Ausdruck bringen kann, was in den sich verändernden Tagesstimmungen und Jahreszeiten bestehen bleibt, unabhängig von einem definierten Ort und einer kurzlebigen Episode, drängt es mich.“ Gleichsam ohne Pinsel und Farbe zeichnen seine Hände seine Gedankengänge, als ob er sie mit ihnen skizzierte, in die Luft. „Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwann mit der Malerei aufzuhören. Es macht mir Angst, wenn ich daran denke, dass ich eines Tages vielleicht feststellen muss, dass ich etwas mir Vorgenommenes nicht mehr bewältigen kann.“
Draußen im Garten kommen mehr und mehr Vögel zu den zwei Futterhäuschen. Dass in alten Zeiten gelehrt wurde, Tiere und Pflanzen hätten kein Empfinden sondern nur Instinkte, das können Herbert Wagner und seine Frau, Maria, nicht nachvollziehen: „So groß, wie man einmal meinte, kann der qualitative Unterschied im Empfinden zwischen Mensch und Tieren nicht sein.“ und erzählen von Beobachtungen und Erlebnissen, die ihnen das Gegenteil verdeutlichten. Die Blicke der beiden folgen wohlwollend den eifrig im Garten pickenden Vögeln, die sich trotz milden Tauwetters über das Futter freuen. „Man muss immer wieder etwas riskieren. Malen vor der Natur schließt immer auch die Möglichkeit des Scheiterns mit ein, und umso befriedigender ist es, wenn man das Gefühl hat, dass es gelungen ist, das Naturerlebnis wieder zu geben. Ich suche oft komplizierte Motive, die mir eine Herausforderung sind, damit ich mich nicht in allzu Gewohntem wiederhole. Man weiß vor so manchem Motiv, man wird sich plagen, man kann scheitern, aber ich suche diese Bewährungsprobe immer wieder.“ So präzise und überlegt, wie Herbert Wagner den Pinsel setzt, wählt er auch seine Worte. Den Wechsel der Jahreszeiten, den man Jahr für Jahr durchlebt hat und der einem den Zyklus menschlichen Lebens augenscheinlich macht, all das schätzt Wagner an unserem gemäßigten Klima: „Das Zauberhafte am Werden und Aufblühen des Frühlings, die üppigen Landschaften, die satten Felder im Sommer, dann die Zeit des letzten Aufleuchtens vor dem scheinbaren Vergehen im Winter, dieser Lauf der Jahreszeiten ist für mich auch Sinnbild für das menschliche Leben.“ meint er. „In der Jugend bin ich an vieles unbekümmerter herangegangen. Mit den Jahren wird man selbstkritischer und der Anspruch an sich selbst nicht geringer,“ resümiert Wagner. „Ich plag mich immer noch gern. Ein bequemer Tag hinterlässt ein schales Gefühl.“
Flora Fellner und ich besuchten Herbert und Maria Wagner am 1. Februar 2016 in ihrem Haus in der Lasbergerstraße, in Freistadt. Im Frühjahr werden wir ihn noch bei einem Malausflug begleiten.
Ausführlich ist über das künstlerische Werk und das Leben von Herbert Wagner in den Freistädter Geschichtsblättern Nr. 16 nachzulesen.