Gerhard Eilmsteiner „das ist alles nicht so wichtig“

Als Flora Fellner und ich zum zum Haus kommen, fährt gerade ein Montagebus weg. Zwei Arbeiter haben das Telefonkabel wieder montiert. Beim Transport der Skulptur, an der Gerhard Eilmsteiner gerade arbeitet, hat er es mit dem hoch ausgefahrenen Stapler herausgerissen. Kann passieren, wenn man Material manövriert, dass mehrere hunderte Kilo wiegt.

Wir nehmen an einer Tisch-Skulptur vor dem Haus Platz. An der Hausmauer dahinter sind auf einer alten Holztür metallene Buchstaben montiert: SRAD ARS. Während wir uns unterhalten schweifen meine Gedanken immer wieder um diesen Begriff SRAD. Hm. Dada? Eine Abkürzung? Wenn ja, wofür? Das Produkt eines KünstlerInnen-Residence-Projektes mit tschechischen Kollegen? Das Rätsel entschlüsselt sich mir nicht.

Wir schlendern mit Gerhard Eilmsteiner durch sein Materiallager rund um den hinteren Hausteil: Werkzeuge und Geräte, Skulpturen und Skulptur-Fragmente, Material-Tableaus aus Stein und Metall. Nicht in allen Fällen ist die Trennung zwischen Rohmaterial und Werk definitiv. Ein Ensemble alter landwirtschaftlicher Geräte bildet so zum Beispiel den Auftakt zu den geschlichteten Steinquadern und den Regalen, in den sich, wohl komponiert oder auch nicht, Material befindet. Das, was für jemand anderen wie Material für den Sperrmüll wirken könnte, ist für Gerhard Eilmsteiner eine fertige Arbeit. Der skulpturale Charakter und die ästhetische Anmutung der Ding, der Materialien an sich, faszinieren ihn.

Mir kommt die Geschichte des Besuches der Pariser Luftfahrtschau 1912 von Brâncusi, Léger und Duchamp in den Sinn: Die drei Künstler schlenderten durch das Arsenal technischer Innovationen und Duchamp stellte fest: „Die Malerei ist am Ende. Wer kann etwas Besseres machen als diese Propeller?“

Seit 1983 bewohnt Gerhard Eilmsteiner mit seiner Partnerin den Platz in Pieberschlag . Für ein Leben am Land haben sie sich ganz bewusst entschieden: Das Material braucht Platz, genauso wie die Werkstätten. Zudem machen die Bearbeitungsprozesse Lärm.

Auf die Frage, wie er hier aufgenommen wurde, von den Nachbarn und den Menschen der Gemeinde, meint Eilmsteiner: „Mit Gleichmut“. Er erzählt, dass er anfangs selbst erstaunt war, wie wenig Widerstand ihm entgegen gebracht wurde. Aber Gleichmut ist ein Stück weit an Desinteresse gekoppelt. Aber er wollte sich ohnehin nie in die Abhängigkeit der Meinung anderer begeben. Klar ist es bereichernd, wenn es Rückmeldungen gibt, wenn es Menschen gibt, mit denen ein Austausch passiert. Aber er hat es, so erzählt er, schon lange aufgegeben selbst alles verstehen zu wollen oder von allen verstanden zu werden und sowieso findet er es interessanter, was ein Nachbar zu seiner Arbeiten zu sagen hat, als das, was sich sogenannte Kunstexperten zusammenreimen.

Gerhard Eilmsteiner zeigt uns die Skulptur, an der er aktuell arbeitet. Es ist eine Form, die er nach einem Ton-Modell aus einem Granitblock herausarbeitet. Wie lange er noch brauchen wird, ist offen: „Vielleicht ist sie in zwei Wochen fertig, vielleicht in zwei Jahren“. Er arbeitet immer dann weiter, wenn er das Bedürfnis danach hat, sonder gibt es etwas anderes, dem er sich widmet.

Eilmsteiner hat nicht nur ein differenziertes Interesse an funktionsfreien Objekten, sogenannten Kunstwerken, auch die Gebrauchsdinge rund um das Haus sind ein ästhetischer Genuss. Nahe dem bereits erwähnten Gartentisch hat er, um einen Raum im Obergeschoß zugänglich zu machen, eine Zugbrücke konstruiert, deren Verschränkung von Funktion und skulpturaler Präsenz mich fasziniert. Mit einem Hebel wird die Brücke hinuntergelassen und der „Raum der mechanischen Uhren“ zugänglich.

Eine Alternative zu den optisch elenden Wäschespinnen, wie sie es in Heimwerker-Märkten zu erstehen gibt, entdecke ich im Skulpturengelände vor dem Haus: zwei Steinstelen  und Metallstangen – was für ein formale, ästhetische Wohltat!

Man kann schon sagen, dass die Faszination für Stein und Metall ihm in die Wiege gelegt wurde: Sein Großvater war Steinmetz und Schmied in Windhaag. Das Schönste für ihn als Kind war, wenn er alleine in Ruhe im Schrottlager sein konnte, so Eilmsteiner, der in Windhaag geboren, aber in Linz aufgewachsen ist. Eilmsteiner selbst empfindet sich eigentlich als Autodidakt. Zwar besuchte er in den frühen 1970er Jahren die Malerei-Klasse der damaligen Kunstschule der Stadt Linz, aber eigentlich hat er sich alles wesentliche für seine Arbeit anderswo angeeignet. In den Lehr- und Wanderjahren in den 1980er Jahren übte er verschiedene Handwerksberufe aus, bei denen er sich unterschiedliche handwerkliche Kompetenzen aneignen konnte, die ihm für sein späteres arbeiten hilfreich waren.

Wir kommen von Werkstätten und Materialschatz-Lager in das Skulpturenareal vor dem Haus. Flora und ich sitzen auf einer halbkugeligen Form aus Volleisen, genießen die Herbstsonne und unsere Gedanken mäandern mit unseren Augen von Skulptur zu Stein zu Metall zu Baum zu Skulptur. Übrigends: Die in der Wiese vor dem Haus arrangierten Arbeiten sind, alle bis auf eine, zu kaufen.

Nicht nur bei ihm in Pieberschlag kann man Arbeiten von Gerhard Eilmsteiner sehen. Mehrere große Skulpturen gestalten öffentliche Räume. Wer durch Freistadt fährt, kommt gegenüber des Brauhauses am „Tor“ vorbei. Wer das Green Belt Center in Windhaag besucht, sieht dort die erste Stein-Arbeit von Eilmsteiner. Wer am Areal der Johannes Kepler Universität unterwegs ist, kann dort die größte mechanische Uhr des Mühlviertel, entdecken. Wer von Freistadt den Weg hinauf nach St. Peter geht, kann den Kreuzweg, den Gerhard Eilmsteiner gemeinsam mit Otto Ruhsam gestaltet hat, erkunden. Die bisher größte, vielleicht auch die bekannteste seiner Arbeiten ist das Wettershuttle, direkt an der Europäischen Wasserscheide platziert bei Windhaag/Freistadt. Und aktuell entsteht in Pieberschlag ein Skulpturenweg, auf dem es bereits Arbeiten zu entdecken gibt.

Bei meiner der Arbeiten von Gerhard Eilmsteiner kommt die Form sehr dem Material entgegen. Manchmal entsteht die Spannung genau darin, dass Form und Material sich widersprechen. Ich erwähne etwas von „leidenschaftlichem Arbeiten“ und Eilmsteiner setzt dem entgehen, dass er es nicht so hat mit der „Leidenschaftlichkeit“, zumindest nicht mit der, die einen schnell verbrennt, manchmal schneller als einem lieb ist. „Wie Janis Joplin zum Beispiel“ wirft er ein und bezeichnet sich als Verfechter eines gesunden Phlegmas.

Auch das Rätsel des SRAD klärt Gerhard Eilmsteiner auf meine Frage hin auf: Er erwarb die Buchstaben als SPARKASSE und arrangierte sie neu. SRAD hat es ihn letztendlich am meisten angesprochen: Der Klang reizte ihn und zudem ergibt das Begriffspaar ein Palindrom. Als er dann weiter recherchierte, wurde er im italienischen fündig: sradicato. Entwurzelte Kunst.