Göteborg, midsommar, Fr 23. Juni

Heute wird midsommar gefeiert! Nach Weihnachten ist für die Schweden midsommar das zweitgrößte Fest im Jahreskreis. Alle, die Landhäuser haben, verbringen ihre Tage dort, gefeiert wird im Kreis der Familie oder mit Freunden, die Geschäfte und Lokale sind geschlossen.

Leonie hat von einer Campingplatz-Nachbarin einen ‚midsommarkranz‘ geschenkt bekommen. Er passt perfekt zum Kleid, das Leonie für das Fest vor rund zwei Monaten ausgesucht und eingepackt hat! Der Blumenkranz ist eigentlich das einzig wirklich wichtige Utensilien für dieses Fest. Und die Jause für das Picknick.

Mittags radeln wir wieder zum Bus und fahren in die Stadt. Wir kaufen unsere Jause (ich hätte gerne ein netteres Essen, für so ein Fest, aber den Camping-Umständen geschuldet gibt es eben Sandwiches und Riegel und so) und folgen der Richtung, in die anscheinend heute alle, die in Göteborg sind, gehen, in den Slottsskogen, den Schlossgarten. Dort findet ein großes, öffentliches midsommarfest statt.

Die ‚majstång‘ steht bereits. Der Ausdruck hat nichts mit dem Monat Mai zu tun, sondern geht auf das Verb ‚maja‘ zurück, was „mit Blumen schmücken“ bedeutet. Auch ich bekomme noch einen. Mangels anderer Optionen, gekauft und aus Kunstbkumen.

Der slottsskogen ist groß, es sitzen bereits zahlreiche Menschen verteilt in Wiese und das machen wir auch. Picknickdecken, Blumenkränze, Jause. Wir sind früh dran, mehr und mehr Menschen kommen. Wir schauen und staunen und freuen uns, dabei zu sein. Und die Menschen im Park werden mehr und mehr!

Es fällt auf, dass midsommar von allen Menschen gefeiert wird. Alle sind hier vertreten um den Sommer, die warmen langen Tage und das mit das Leben zu feiern. Ich wusste nicht genau, was mich erwartet und wir sind sehr angetan. Es ist ein sehr niederschwelliges Fest im besten Sinne des Wortes! Es geht ganz einfach: eine große Wiese, auf der alle Platz haben, etwas Musik, nur so laut, dass man auch gut miteinander sprechen kann, Picknickdecken und Jause. Und keiner ist ausgeschlossen. Menschen, sichtlich aus allen Himmelsrichtungen, manche in blumig schicker Sommerbekleidung, andere im Alltagsoutfit, verschiedene Landestrachten, alles geht. Auch beim Essen. Eine Gruppe junger Inder:innen oder Pakistanis hat Chips und Kekse mitgebracht. Bei anderen wiederum werden ganze Büfett von Aufstrichen, Salaten und Erdbeertorten aufgebaut. Jeder wie er mag. Blumenkränze haben viele, aber viele auch nicht. Man muss keiner spezifisch Religion oder Partei angehören, keine Freund von Brauchtum und Volklore sein, viel Geld für Tischreservierungen, erste Ränge oder sonst was, ausgeben. Es ist ein Fest, bei dem jeder und jede mit dabei sein kann. Spannend, wie es funktioniert!

Leonie peppt ihren Kunstblumenkranz mit Vergissmeinnicht und Hahnenfuss auf.

Jeder kann tun wie er will. Es aufwändig zelebrieren, oder ganz einfach, mittanzen oder zuschauen, sich ins Getümmel stürzen oder am Rand bleiben, kurz vorbei schauen oder bis in den Abend hinein bleiben. Auffällig ist auch, dass es kein Konsum fest ist. Es gibt nur einen Eisstand. Nicht zig verschiedene Buden, Standln oder sonst was, wo Essen und Trinken verkauft wird. Jeder bringt mit, was er mag. Alkohl spielt auch keine wesentliche Rolle.

Um 16 Uhr gibt es einen offiziellen Teil. Einige Musiker in schwedischer Tracht spielen Volksmusik und wer will, tanzt dazu um die ‚majstång‘ mit. Es wollen viele. Wir wollen auch. In dichtem Gedränge, in 7, 8, 9 Kreisen wird versucht den Schritt- und Tanzanweisungen zu folgen. Die Stimmung ist sehr ausgelassen und vergnügt. Man wird an der Hand gepackt und rund herum geht’s, zur Mitte und wieder retour, klatschen links, klatschen rechts. Mal ist eine Inderin mit Bindi neben einem, mal ein rothaariger Vikinger, mal ein Siebzehnjähriger in Jogginghosen, dann eine blonde blumige Prinzessin und beim nächsten Ringelreihe ein Mensch mit afrikanischem Backround. Verstehen tun wir die Anleitung bedingt, sehen die Vortänzerin auch nur bedingt. Aber irgendwie tanzt es sich! Auseinander und mit lautem Geschrei zur Mitte. Zum Fotografieren hatte ich keine Zeit und auch keine Hand frei. Dort, wo es staubt um die ‚majstång‘, wird getanzt.

Nicht alle wollen tanzen. Ich sehe eine Gruppe, die Schach spielt, zwei junge Frauen liegen nebeneinander und lesen ein Buch, manche flechten noch ihre Blumenkronen aus Material das sie dafür mitgebracht haben und manche sind mit Selfie machen beschäftigen. Eine Mutter ist damit beschäftigt, ihre zwei Burschen, die mit ihren midsommar-Blumenkleidern in das Bacherl gerutscht sind, trockenzulegen. Reden, essen, schauen, bei den Toiletten anstellen. Am midsommarfest ist die Toilettanlage im slottsskogen einfach zu klein. Aber gut, steht man halt an.

Es ist Abend. Wir sind den dritten Tag in der Stadt und haben sie immer noch nicht gesehen. Jetzt gehen wir eine Runde. Hier gäbe es, wie überhaupt in Schweden, noch so viel zu sehen. Die Straßen sind wie ausgestorben. Alles hat zu, kaum jemand ist unterwegs. Ganz zentral hat eine handvoll Restaurants geöffnet. Für die Touristen, die nicht genügend Jause eingekauft haben. Wir gehen zum Inder, freuen uns über das leckere Essen. Noch zwei, drei Straßen und dann suchen wir uns den Bus, der uns zu den Rädern bringt. Es war ein toller midsommar Tag!

Unser letzter Abend in Schweden. Leonie fängt noch ein paar Junikäfer. Wir machen uns Tee, der letzte Beutel, und wir versuchen ein kleines Resümee zu machen, versuchen aufzuzählen, worauf wir uns zu Hause freuen. Aber es geht nicht mehr lange gut, wir sind müde und müssen / wollen schlafen.