Naturreservat Hammarskog  – Uppsala, Sa 10. Juni

Johannes kommt, als Leonie und ich aus unserer Schlafbox krabbeln, bereits vom See und berichtet uns von seinem eindrücklich Erlebnis. Er hat einen Fischadler bei der Jagd beobachtet. Er sah, wie er sich anpirschte, offenbar einen Fisch verfolgte, erfolglos zustieß, sich erneut umsah, und wieder zustieß. Diesmal war er erfolgreich, war länger im Wasser, bis er mit einem relativ großen Fisch in den Krallen, davonflog.

Beim Frühstück sind wir auch von Tieren umzingelt: links vorne die wuselige, kläffende Chihuahua-Bande, vor uns zwei große, lautlose Labrador und rechts, die Kühe. Aber der Fischadler hätte mich mehr interessiert!

Für das Naturreservat Hammarskog, am See Ekoln, an dessen Rand wir genächtigt haben, nehmen wir uns heute nicht viel Zeit. Eine kurze Runde fahren wir mit den Rädern. Beeindruckende alte Eichen, die die meterlangen dürren Äste einander zu recken, ein Steg entlang des Seefeuchtgebietes und ein Aussichtsturm. Bestimmt gäbe es hier mehr tolle Plätze zu erwandern oder erradeln.

Aber wir wollen heute nach Hammarby und weiter bis Uppsala. Wegen Carl von Linné und seiner Arbeit. In Hammarby hatte Linné ein Sommerhaus mit Garten und Park, das für Besucher:innen zugänglich ist.

Exkurs: Carl von Linné lebte im 18. Jahrhundert. Die Wissenschaftler (innen hatten kaum eine Chance es zu werden) damals versuchten die Welt und alles was ist, zu erfassen, zu verstehen und zu systematisieren. So auch Linné. In Korrespondenz mit zahlreichen anderen Universalgelehrten seiner Zeit, schuf er ein Ordnungssystem zur Bestimmung und Einteilung von Pflanzen. Später übertrug er diese Methode der Benennung auf Tiere und Mineralien. Das System nennt sich binäre Nomenklatur und wird bis heute angewendet. Jede Art von Lebewesen hat einen lateinischen zweiteiligen Namen: Gattung und Art. Wie Vorname und Familienname. Nachdem alle weltweit den gleichen Namen verwenden, kann man sich (ziemlich) sicher sein, dass man vom gleichen spricht und versteht Verwandtschaftsverhältnisse leichter.

Vom Naturreservat Hammarskog bis zu Linnés Hammarby sind es rund 25 km. Wir sind mittags dort.

In Hammarby wird ein zumindest für Botanik-Fans, besonderer Schatz gepflegt und gehegt: Etwa vierzig Arten aus Linnés eigenem Garten haben hier seit den Tagen als Linné hier lebte, forschte und lehrte, überdauert. Wir kommen genau rechtzeitig zur englischsprachigen Führung durch das Wohnhaus. Spannend und witzig.

Wir essen unsere mitgebrachte Jause und Linné-Leckereien aus dem netten Cafe mit Souveniren im Obstgarten. Das schöne Tablett ist unser eigenes. Das Motiv ist das nach Linné selbst benannte Moosglöckchen Linnea borealis.

Das Wetter ist, wie eigentlich jetzt immer, angenehm warm und sonnig. Wir spazieren durch den Garten und den Park und entdecken, dass es weitere markierte Wege außerhalb gibt. Den Kyrkastig (Kirchensteig) von Linné und seiner Familie und auch einen sog. Kulturstig. Aber dieser führt, oh no, durch eine Rinderweide.

Diese Erfahrung haben wir schon. Wir nehmen doch den Kyrkastig! Schöner Wald, aber wir bemerken bald, oder fürchten es zumindest, dass die Kühe, Johannes meint auch einen schwarzen Stier gesehen zu haben, auch in diesen Bereich des Waldes können. Wir suchen uns Stöcke. Nur für den Fall.

Wir kommen zum Platz, der Linnés Sofa genannt wird. Angeblich soll er hier auf dem Weg zur Kirche gerne gesessen sein. Das probieren wir auch aus.

Plötzlich haben wir dann überhaupt keinen Steig mehr, weder Kirche noch Kultur, sondern nur noch Natur und suchen uns den Weg retour selbst. Es hat viel zu lange nicht geregnet hier in Schweden. Das Moos und die Flechten sind so ausgetrocknet, dass sie unter unseren Füßen zerbröseln.

Ein beeindruckender, schöner Platz, Linnés Hammarby. In einem Gebäude ist eine Ausstellung mit Assemblagen aus trockenen Pflanzenteilen, im anderen Gebäude sind die Grundzüge der wissenschaftlichen Arbeit von Linné museal aufbereitet.

Gegen fünf Uhr fahren wir weiter nach Uppsala, 16 km, und checken für zwei Tage auf dem Campingplatz ein.

Sachen organisieren, kochen und essen, Servishus und finster ist es immer noch nicht. Zwei Videos zur Bestimmung von Pflanzen schauen wir gemeinsam. Dann ist es immer noch hell. Wir gehen jetzt trotzdem schlafen, auch wenn es komisch ist, so als ob man mitten am Tag so tun würde, als ob es Abend wäre. Aber es wird ja auch ab drei bereits wieder hell. Soo viel Sonnenzeit, die wir verschlafen!